Die Wahrheit: Sind so gelbe Bäumchen
Die FDP wird zur Klimapartei. Es sind aufregende Entwicklungen in der Zentrale des aufgewärmten Liberalismus.
„Die FDP wird die Klimapartei Deutschlands“, ruft Thomas Heidelberger fröhlich. „Wir werden die Grünen rechts überholen.“ Kraftvoll stößt der schlaksige Liberale den Spaten in den Boden und versucht, ein wenig Erde zusammenzukratzen. Es ist Winter, in der letzten Nacht hat es gefroren. Der Boden ist hart. So hart wie das Politikgeschäft.
Der 55-jährige gelernte Diplomvolkswirt Heidelberger ist umweltpolitischer Sprecher der FDP und Leiter und bislang einziges Mitglieder der FDP-Klima-Arbeitsgruppe. Er sucht noch Mitstreiter in der Partei.
Heidelberger hat zu einem Pressetermin eingeladen, er möchte einen Baum einpflanzen vor der Bundesparteizentrale in Berlin Mitte. Hier in der Reinhardtstraße steht kein Baum, kein Strauch, kein einziges Gewächs. Das will Heidelberger ändern. „Berlin muss grüner werden!“, zitiert er einen alten Wahlkampfspruch der CDU.
Darauf aufmerksam gemacht, erwidert er: „Egal. Wir müssen jetzt alles recyceln. Nichts verschwenden – wiederverwenden!“ Heidelberger hält das Bäumchen mit beiden Händen fest, vielleicht buddelt er morgen weiter. Doch erst einmal berichtet er aufgebracht, wie schwierig es war, dieses Exemplar zu bekommen. Alle Baumschulen, die er angerufen habe, hätten abgewinkt. „Ich musste mir dieses Bäumchen von dem Platz da hinten holen.“ Er zeigt die Straße hinunter in Richtung einer Grünanlage neben der Heinrich-Böll-Stiftung.
Dünnes Konzeptpapier
Aber es geht heute nicht nur um Straßenbäume. Heidelberger will auf das neue Klimaprogramm der Liberalen aufmerksam machen: „Mit der Freien Demokratischen Partei als Umweltpartei wird Deutschland den Klimawandel überwinden. Wir haben einen Plan. Diesen Plan!“ Er hält ein etwa 20 Seiten dünnes Konzeptpapier in die Luft. „Agenda 2030 – Die überleben wollen“, steht auf dem Deckblatt.
Darauf hingewiesen, dass der Titel von einem Science-Fiction-Film entlehnt ist, erwidert er: „Ja, wir sind die Recycling-Partei. In diesem Paper haben wir alle Pläne versammelt, mit denen wir Deutschland vor dem Klimawandel retten können. Und das beste daran ist – wir brauchen dafür weder die Grünen noch die Anhänger der Greta-Kirche. Wir haben die besten Ideen untersucht, denn bei uns haben alle Wissenschaften eine gleichberechtigte Chance“, sagt er und präsentiert den ersten Mann der Wissenschaft.
Das Mikrofon übernimmt Professor Hendrik Streeck, der neben ihm steht: „Wenn ich Gesundheitsminister werde“, sagt Streeck, „führe ich die Gentherapie für Ungeborene ein. Dadurch können wir Kinder kreieren, die gegen bestimmte Krankheiten immun oder widerstandsfähiger gegen Kälte sind. Wir könnten natürlich die Evolution abwarten – wenn man an so etwas wie die Evolution glauben will –, aber das dauert zu lange, bis wir uns angepasst haben. Dank der Gentherapie hat die nächste Generation ein dickeres Unterhautfettgewebe wegen der Kälte im Winter, einen dunkleren Teint wegen der heißen und sonnigen Sommer, sie braucht weniger Wasser und, und, und. Dann haben wir eine europäische Rasse, die widerstandsfähiger als die jetzige ist.“
Aber Streecks Gentherapie ist nicht der einzige Weg, mit dem die FDP Deutschland an den Klimawandel anpassen will. „Bei uns haben alle Wissenschaften eine gleichberechtigte Chance“, meint Heidelberger und gibt das Wort weiter an Heinrich von Queller, den Präsidenten der Homöopathischen Gesellschaft Deutschlands. „Im Kampf gegen die globale Klimakrise helfen nur Globuli“, erklärt er. „Aconitum gegen Hitze und Fieber, Arsenicum Album gegen allgemeine Unruhe, mit Pipalum braucht der Körper weniger Sauerstoff, mit Gagatium kommt er mit weniger Wasser aus, kann den Energieumsatz des Körpers verdreifachen und unter bestimmten Umständen fliegen, was zumindest die umweltschädlichen Kurzstreckenflüge überflüssig machen würde.“
Dann ergreift wieder Heidelberger das Wort, der dem Homöopathie-Präsidenten das Bäumchen in die Hand drückt, um eine großartige Idee zu verkünden: Es sei auch denkbar, mit Globuli gefüllte Säcke gegen Überschwemmungen einzusetzen, die auch in Zukunft zu befürchten sind.
„Langfristig kann man aber auch homöopathische Mittel in die Atmosphäre schießen“, ergänzt von Queller von hinten, „und das Wetter beeinflussen, etwa mit …“ – „… und natürlich müssen wir auch etwas gegen die Ursache Nummer eins der Erderwärmung tun“, unterbricht ihn Heidelberger, „die Sonne.“
Falsche Forschung
Damit reicht er das Mikrofon weiter an den Geologen Steffen Schallhuber. „Die bisherige Forschung zur Erderwärmung war falsch“, beginnt Schallhuber. „Wir leben auf einer flachen Erde. Daher können wir die Sonneneinstrahlung weit besser beeinflussen als bisher angenommen. Mit Raketen bringen wir die Erdscheibe in eine veränderte Schräglage zur Sonne, so dass die Strahlen die Erde nicht mehr so direkt treffen und diese nicht mehr so stark erwärmen können. Langfristig können wir an den Rändern der Erde Antriebsmodule anbringen, die die Erde so steuern, dass die Winter nicht zu warm, die Sommer nicht zu kalt werden.“
„Sie sehen“, freut sich Heidelberger, „wir sind da sehr technikaffin und ergebnisoffen. Und ich bin sicher, wo diese Ideen herkommen, gibt es noch mehr. Zum Beispiel gibt es jetzt ein Start-up, dass ausgestorbene Tiere klonen will. Es wird bald kein Tier mehr aussterben müssen. Und der Mensch schon gar nicht!“
Heidelberger nimmt von Queller das Bäumchen aus der Hand. „Mit der FDP geht es in die Klimazukunft, ohne unseren errungenen Wohlstand einzuschränken. Die Klima-Agenda wird die Wirtschaft ankurbeln. Busse werden von Porsche gebaut, selbstfahrende Müllautos von Tesla, die Wasserver- und -entsorgung übernimmt Nestlé. Machen, machen, machen! Das ist die Devise. Kurz: Das Klima kann kommen. Die FDP ist bereit.“
Dann beginnt Thomas Heidelberger das zarte kleine Bäumchen zu streicheln, das allerdings schon ganz gelb und welk wirkt im dunklen Schatten der Berliner FDP-Zentrale.
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