Die Wahrheit: Bundestag voll auf Speed

Endlich schlagen die Parlamentarier eine andere Gangart ein gegen die deutsche Autofahrerschaft. Report aus dem Sonderausschuss Verkehr.

Unfall mit Auto im zweiten Stock eines Hauses

Verkehrspolitik heute – ein einziger Crash Foto: Reuters

Ein Überleben der Menschheit ist bekanntlich nur möglich, wenn die private Automobilnutzung umgehend unterbunden wird. Egal ob benzin- oder batteriebetrieben. Doch der deutsche Staat setzt unbeirrt auf Kfz-Steinzeittechniken, fördert gar noch deren Ausbau. Nur wenige private Organisationen setzen sich für die konsequente Verkehrs- und Mobilitätswende ein beziehungsweise kleben sich an. Und jetzt das! Eine politische Sensation! Die Wahrheit veröffentlicht eine Auswahl der unlängst im Bundestagssonderausschuss „Verkehr der Zukunft“ diskutierten neuen Maßnahmen gegen die deutsche Autofahrerschaft.

„Luft raus, und fertig“, schlägt zum Beispiel Oliver Luksic (FDP) vor. Als gelernter Tankwart weiß der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium nur zu genau, wie’s geht: „Ventilkappe abdrehen, eine Erbse oder einen kleinen Kieselstein reinlegen und Kappe wieder aufschrauben, bis es zischt. So dauert das keine zehn Sekunden, bis wieder eines dieser verfickten PS-Monster tiefer gelegt ist“, erklärt er unter beifälligem Tischklopfen aller anwesenden Ampelkollegen.

„Dann noch schnell den Rückspiegel abtreten – und ab dafür“, hört man seinen Minister zischen, was ebenfalls auf breite Zustimmung stößt. Volker Wissing bedankt sich mit einem neckischen Sidestep, der wohl den Spiegeltritt andeuten soll.

Dann ergreift der Kanzler höchstpersönlich das Wort: „Ich persönlich zeige ja schon seit Jahren jeden Falschparker an. Und das ist auch gut so“, ruft Olaf Scholz (SPD) in Richtung der mal wieder recht bedröppelt, um nicht zu sagen: dumm wie ein Auto, dreinschauenden Opposition. „Und deshalb werden wir das 2023 auch zur Pflicht machen: Das gute Knöllchen-Gesetz. Und Sie, Herr Doktor Merz, werden der erste sein, der kostenpflichtig abgeschleppt wird. Auch wenn Sie gar kein Auto besitzen, wie Sie immer dreist behaupten. Dann wird es eben ihre beschissene Cessna sein, die wir hopsnehmen. Darauf können Sie schon mal einen lassen.“

Kavalierstartverbot

Er habe nie behauptet, so Merz (CDU) in seiner Replik, „keinen Verbrenner zu besitzen“, sondern er habe lediglich „einen E-Volvo geleast. Und das, Herr Bundeskanzler, wird ja wohl noch erlaubt sein in einer Zeit, in der Sie offenbar alles verbieten wollen, was noch Spaß macht. Was kommt als nächstes Verbot? Kippen aus dem Seitenfenster schnippen? Kinder totfahren? Kavalierstart?“ Merz gibt sich wie stets „kämpferisch“.

Eher nachdenklich inszeniert sich der Ausschuss-Vertreter der Grünen: „Sämtlichen SUVs was möglichst Spitzes durch den Motorblock bohren“, so Cem Özdemir, „das reicht mir persönlich nicht. Ich will sie, verdammt noch mal, in die Schrottpressen geworfen sehen und ihre Chassis kreischen hören, wenn sie darin zermalmt werden, und am Ende soll nichts weiter als kleine Metallköddel übrig bleiben, die wir dann der heimischen Leiterindustrie zuführen. Damit endlich mal Schluss ist mit diesen Halbleitern, über die überall geklagt wird in der deutschen Wirtschaft, und das kann man ja auch verstehen. Ich wollte meinen Apfelbaum auch lieber mit einer ganzen Leiter besteigen.“

Das Sitzungsprotokoll vermerkt an dieser Stelle einen Zwischenruf von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP): „Chassis kreischen nicht, Cem. Die ächzen eher, wenn man sie knickt!“

Endlich ist dann Sahra Wagenknecht an der Reihe, die Haltung ihrer kürzlich erst gegründeten Partei (DKP) zur grassierenden Kfz-Seuche mit Verve zu besingen: „Sprengt, Velotarier, ihr den Konzern der Millionen!“, hebt sie mit ihrer samtenen Altstimme zur dritten Strophe aus dem „Gesang der Radfahrer“ an, die nach der Melodie von „Lobet den Herrn“ so weitergeht: „Jeder für alle, so knackt ihr die Liga der Doofen / Blechkisten weg / Stoppt ihrer Dreckskarren Dreck / Lasset den Brandsatz drin wohnen“, schmettert sie mit erhobener Faust in den nach der Verkehrsminister-Legende Georg „Schorsch“ Leber (1920–2012) benannten Sitzungssaal.

Stürmischer Applaus, nach dessen Abflauen es wiederum Volker Wissing ist, der anmerkt: „Und? Welcher Brandt-Satz schwebt Ihnen da so vor, Verehrteste? Mehr Demokratie wagen? Oder der vom Zusammenwachsen?“ Großes Gelächter.

Irre mit debilen Helmen

Nur einer lacht nicht: Gottfried Curio. Der kuriose AfD-Mann hat mal wieder den Witz nicht verstanden. Und befindet sich offenbar auch sonst in einem ganz anderen Film: „Abknallen! Alle abknallen, wenn sie nicht spätestens bei fünf auf dem Radweg sind, diese Irren mit ihren debilen Helmen. Mann, Mann, Mann. Ich krieg schon wieder so’n Hass, wenn ich nur dran denke … wie bitte? Ob ich überhaupt einen Führerschein habe? Wenn das wieder einer ihrer albernen Hitlerwitze gewesen sein soll, Herr Wissing, hab ich ihn wohl leider nicht verstanden.“

Zum Abschluss der Verkehrsausschusssitzung wird fairerweise noch ein Kfz-Sachverständiger geröstet: Ulf Poschardt von der Tageszeitung Die Welt.Er soll dem Ausschuss erklären, was eine Bremsspur ist. Tatsächlich ist der bekennende Autonarr („Wer bremst, verliert“) aber nur vorgeladen, damit ihm Staatssekretär Luksic heimlich eine Tüte Zucker in den Tank kippen kann. Der Ausschuss will einfach mal sehen, ob es Poschardts Porsche dann noch aus der Bundes­tags­tiefgarage schafft.

Die Zukunft des Verkehrs aber wird auch an diesem Sitzungstag wieder nicht in die notwendigen Bahnen gelenkt.

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kari

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