Die Wahrheit: Mussolinis neue Flamme
Begriffe wie „rechtspopulistisch“ und „postfaschistisch“ werden in den Medien beschönigend für rechtsradikale Parteien benutzt. Die Nazis freut's.
U nter den Rechtsradikalen gibt es zwei Phänotypen: Eine kleinere Gruppe, die es sexuell stimulierend findet, wenn sie sich zu ihrem Rechtsradikalismus bekennt, und die darauf baut, dass es ihren Anhängern ebenso geht. Und dann gibt es die anderen, die Erfolgreichen: die AfD, die Schwedendemokraten, die Fratelli d’Italia und den Rassemblement National.
Diese Parteien behaupten, sie wären demokratisch und „bürgerlich“. Nur eben sehr patriotisch und konservativ. Und pro Familie, Kinder und anständigen ungegenderten vaginalen Heterosex am Sonntagmorgen.
Sie fressen Kreide, weil sie wissen, dass sich das Wählerpotenzial für offen rechtsextreme Positionen, für ausformulierten Antisemitismus und Rassismus – zumindest im Moment noch – in Grenzen hält. Also faseln sie von „Werten“, Christentum oder Freiheit und lassen ihren inneren Gauleiter nur ab und zu aus sich herauskrakeelen.
„Framing“ allerorten
Aus Sicht der Rechtsradikalen eine schlüssige Taktik. Warum aber viele Medien darauf hereinfallen, bleibt ein Rätsel. Wenn in den letzten Wochen immer wieder von den „rechtspopulistischen“ Schwedendemokraten oder den „postfaschistischen“ Fratelli d’Italia die Rede ist, denkt man sich: Ah, das ist also dieses berühmte „Framing“.
In diesem Fall ein zwar paradoxes, aber in der Konsequenz positives im Sinne der Rechten: Die Journalisten denken, diese Begriffe wären kritisch, die Nazis wissen, dass sie es nur sehr bedingt sind und klatschen vor Freude in die Hände: Populistisch heißt eben nicht radikal, und „post“ ist irgendwas mit „nach“ oder „später“ und hat mit dem Eigentlichen nicht mehr viel zu tun.
Da können in Deutschland investigative Redaktionen und die Antifa – mitunter sogar der Verfassungsschutz – noch so oft die Verbindungen der AfD zu aktiven Nazis aufdecken, in den meisten journalistischen Beiträgen bleibt das Standardadjektiv: „rechtspopulistisch“.
In Bezug auf das siegreiche italienische Rechtsradikalen-Bündnis wird zwar gern erwähnt, dass eine der Parteien die symbolische ewige Flamme von Mussolinis Grab in ihrem Logo trägt, aber im nächsten Augenblick wird dieser Umstand wieder ignoriert und getitelt: „Rechtspopulisten triumphieren.“
Erst später kommt irgendwann der leicht sexy nach „Postmoderne“ und „Poststrukturalismus“ klingende Begriff „Postfaschisten“. An dieser Partei ist aber nichts „post-“, sie ist originär faschistisch. Sie hat lediglich eine moderne Public-Relations-Abteilung.
Nur diese Modernität unterscheidet die neuen von den alten Faschos, egal welchen Landes. Sie passen sich perfekt an die heutigen Verhältnisse und die Gesetzeslage an: Sie sprechen nicht aus, was sie wirklich vorhaben, sondern machen vage Andeutungen, ziehen ihre Äußerungen dann wieder zurück, um schließlich erneut vorauszupreschen. Und dann beginnt alles wieder von vorne. Goebbels als PR-Profi hätte an dieser Taktik seine Freude gehabt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind