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Die WahrheitMasken auf dem flachen Land

Auf der Suche nach einem Swimmingpool. In einem österreichischen Speckgürteldorf nahe Wien. Das verblüffend an den heimischen Niederrhein erinnert.

I n Leobersdorf gibt es ein Haus mit Pool. Leobersdorf ist ein Kaff im Wiener Speckgürtel, das vor Kurzem noch ein Arbeiterdorf war und jetzt zum Speckgürteldorf umgewidmet wird. Es gibt die üblichen groß angelegten Super- und Baumärkte und sogenannte Outletcenter am Ortseingang, jedenfalls in autofahrerischer Nähe; was wie üblich dazu führt, dass die „Innenstadt“ Leobersdorfs nach und nach ausstirbt, was man als tagesauflüglerischer Großstädter nicht gleich bemerkt, da Kleinstädte immer ein wenig wie Friedhofsvorbereitungslager wirken, ausgestorben nämlich.

In Leobersdorf indes gab es einen Bürgermeister, der rein zufällig auch Immobilienmakler war, was ihm gleich doppelt zum Vorteil gereichte, man ist schließlich in Österreich: Er konnte die „Innenstadt“ „retten“, indem er die schlecht gehenden Geschäfte kurzerhand aufkaufte. Sich selbst baute er daraufhin gleich mal ein Denkmal mitten in die „Innenstadt“: Er im Trachtenanzug auf einer Parkbank, Humpen Bier in der Hand, neben ihm die berühmte „unbekannte Gastwirtin“, eine namenlose Frau im Dirndl, erkennbar jünger und ihm trotzdem sichtlich zugetan.

Diese kleine Provinzposse ließ ich mir berichten, als ich kürzlich vor Ort war. Warum war ich da? Wegen des Pools bei dem Haus. Ein Traum aus den achtziger Jahren, wie meine Familie ihn seinerzeit nicht hatte wahr werden lassen können: Bei uns war es zu abschüssig für einen Pool, wir waren die Narrenfamilie auf dem einzigen Hügel am Niederrhein – und außerdem fehlte das Geld.

Eine weitere Attraktion in Leobersdorf ist das José-Feliciano-Haus. Wer the fuck ist noch mal José Feliciano? Richtig, ein Latinosänger, der auch ein Lied über Wien gesungen hat, nämlich „The Sound of Vienna“, und zur Belohnung im Speckgürteldorf ein Haus, einen eigenen Weg und ein Denkmal im Park erhalten hat. Wenn es schon mal einen C-Promi in den Ort zieht!

Aber eigentlich wollte ich etwas anderes erzählen. Nämlich, dass man von Wien aus etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde nach Leobersdorf braucht und dass, kaum hat der Nahverkehrszug die Stadtgrenze passiert, fast alle die Masken fallen lassen. Weil: In Wien ist Maskenpflicht, im Umland nicht!

Da habe ich mich das erste Mal an den Niederrhein erinnert gefühlt. Dort wohnt meine Mutter im Nachbardorf meines Vaters, getrennt durch eine Staatsgrenze, nämlich die zwischen den Niederlanden und Deutschland. Immerhin, es verkehrt ein Bus zwischen den beiden etwa fünf Kilometer auseinanderliegenden Dörfern. Zurzeit jedoch nicht! Weswegen? Weil in Deutschland im öffentlichen Personennahverkehr Maskenpflicht herrscht und in Holland nicht. Und deswegen gibt es da rechtliche Bedenken. Also fährt der Bus nicht von Tolkamer nach Elten.

Beim letzten Besuch mussten wir dann den Zug über Zevenaar nehmen, was uns gute zwei Stunden kostete. Kaum hatte er die Staatsgrenze passiert, setzten sich alle die Maske auf.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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1 Kommentar

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  • Nunja - Masken 🎭 - Oh wie fein.



    In Wien sowie am Niederrhein!



    Mehr fällt mir dazu nicht ein.



    Drum sprengemer in Gänze!



    Donau Rhein & Grenze.



    Listen nü mein Schatz a- 🥰 -

    Joachim Ringelnatz

    Immer wieder Fasching



    Wenn der Fasching kommt, wird viel verboten.



    Aber manches wird auch andrerseits erlaubt.



    Dann wird nicht nur Dienstboten,



    Nein auch Fürstenhäusern entstammten



    Damen oder Frauen von Beamten



    Die Unschuld geraubt.

    Jeder läßt was springen.



    Viel ist los.



    Und vor allen Dingen



    Beine und Popos.

    Wenn sich Masken noch einmal verhüllen



    Mit Phantastik, Seide, Samt und Tüllen,



    Zeigt sich sehr viel Fleisch und sehr viel Schoß.



    Daß wir, eh' wir heimwärtsschwanken,



    Unsern steifen Hut zerknüllen



    Im Gedanken:



    Hätten wir die Hälfte bloß!

    Also brechen wir auf!



    Ach nein, bleiben wir noch,



    Bis an ein Loch.



    Schließlich löst sich alles doch



    In Papier auf.

    Man vertrollt sich lärmlich,



    Wendet sich erbärmlich,



    Jedermann ein abgesetzter Held.

    Draußen Sturm. Es hetzen



    Über Dächer kalte Wolkenfetzen



    Unterm Mond. Wir setzen



    Uns ins Auto, fröstelnd vor dem letzten Geld.



    —-



    www.mumag.de/gedichte/rin_j65.html