Die Wahrheit: „Ein Anschluss unter dieser Nummer“
Exklusiv am Telefon: Das Wahrheit-Interview mit dem Mann, der bei Telegram tatsächlich sämtliche Fäden in der Hand hält.
Auf dem Bildschirm sind Palmen in großen Töpfen zu sehen. Dann ein Schwenk nach oben, 59 Stockwerke hoch, ein Wolkenkratzer mit Goldfassade. Doch hier im Kellerbüro dominiert Gelsenkirchener Barock, hier ist das Reich von Volker Schminke, 63. Seit 22 Jahren lebt Schminke in Dubai. Er ist die gute Seele, der Hauswart im Telegram-Tower, er kümmert sich nach eigener Aussage „um die Pflanzen im Büro, aber auch das Telefon“.
Der Wahrheit ist es jetzt gelungen, ihn an die Telefonstrippe zu bekommen, nachdem die ruckelnde Verbindung via den Videodienst Zoom zusammengebrochen ist. Eine Sensation – staatliche Stellen in Deutschland hatten teilweise Jahre damit verbracht, den Messenger-Dienst auf keinem Kanal zu erreichen, geschweige denn eine valide E-Mail-Kontaktadresse herauszufinden, bei der man sich hätte „beschweren“ können über die fiesen Umtriebe des russischstämmigen Dienstleisters, der eine halbe Milliarde Abonnenten weltweit hat und gern allerlei zwielichtigen Gestalten eine sichere Heimstatt im Netz gibt.
taz: Herr Schminke, hallo, können Sie mich hören?
Volker Schminke: Aber sicher. Ich höre Sie ganz dufte.
Das ist schön, wie ist das Wetter bei Ihnen?
Wir können nicht klagen, besser als in Gelsenkirchen. Deshalb bin ich ja auch mit meinem Schäfer Bello und meiner Frau Gisela nach den Millenium-Feiern damals hier geblieben. (Lautes Bellen im Hintergrund) Bello! Ich habe eine Pressetante aus Westberlin am Hörer, sitz! Er ist übrigens schon 23 Jahre alt. Was wollen Sie noch wissen?
Werden wir abgehört?
Von wem denn? Ich bitte Sie, gestern hatte ich einen Herrn an unserem preislich wirklich günstigen Festnetzanschluss der Firma Dubai Bellkom, der stellte sich mir mit dem Namen Edgar Holmes vor. Ich bitte Sie, das kann doch nur ein Agent des Bundesnachrichtendienstes sein! Der Herr Holmes hat dann was von „Verwählt, aber bleiben Sie gesund“ gemurmelt und wieder aufgelegt. Ich bitte Sie! Und dafür zahle ich immer noch Steuern in Deutschland. Wegen der Rente und so, Sie verstehen.
Natürlich, Herr Schminke, Altersarmut. Aber wie lautet denn die Festnetznummer von Telegram in Dubai?
Na, Sie sind mir ja auch ’ne echte Leuchte am Baum! 00971-4-37498562, die haben Sie doch gerade gewählt!
Stimmt.
Sehen Sie. Es gibt einen Anschluss unter dieser Nummer.
Herr Schminke, wie viel haben Sie denn von Google dafür bekommen, dass Sie denen die E-Mail-Adresse von Telegram verraten haben, damit Google die dann an Nancy Faeser und ihre Crew im Bundesinnenministerium weitermailen konnte?
Also, hören Sie mal! Ich bin doch nicht käuflich! Bello! Nicht auf die Thuja-Hecke kacken! Wissen Sie, ich habe es nämlich hier unter schwierigsten Raumluftverhältnissen geschafft, eine echte deutsche, blickdichte Thuja-Hecke hochzuziehen.
Gratuliere!
Danke, sie spendet auch Schatten, falls die Klimaanlage in der Hitze mal ausfällt.
Schatten. Das ist das Stichwort. Ihr Arbeitgeber Telegram hat ja auch Schattenseiten …
O ja, junge Frau, o ja!
Können Sie uns dazu etwas sagen?
Also erst mal sage ich Ihnen jetzt kostenfrei die E-Mail-Adresse durch, unter der Sie uns hier bei Telegram in Dubai erreichen können, und das rund um die Uhr!
Ja, bitte.
Haben Sie etwas zum Schreiben? Also: info@ …
Stopp. Warten Sie, der Kuli geht nicht!
Wo haben Sie denn Ihren Beruf gelernt? Von der Pieke auf wohl nicht?
Na, hören Sie mal! Ich lege gleich auf.
Bitte, tun Sie das. Bello! Nein!
Dann lege ich jetzt auf, Herr Schminke. Vielen Dank für das Gespräch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!