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Die WahrheitDenkfabrik Aufhübschteam

Wann kommt die Denkfabrik Agora Journalismuswende? Bei Baerbock wird aktuell die Schminke kommentiert, bei Laschet steht nix über Sitz seiner Hose.

J e länger ich auf diesem Erdball unterwegs bin, desto mehr schrumpft mein Hirn. Irgendwann werde ich schon mit den einfachsten Dingen nicht mehr klarkommen, und dann wartet hoffentlich irgendwo eine Denkfabrik Agora Frühstückmachen auf mich und nimmt mich behutsam in ihr wattig wohliges Innenleben auf, ehe ich verhungere.

So stelle ich es mir jedenfalls vor, oder ist es doch so, dass sie in den Denkfabriken einander intensiv auf den Köpfen herumhämmern, bis vollwertige Gedanken herauspurzeln, die dann zur Weiterverarbeitung auf einem Fließband herumschlingern und schließlich zurechtgeschliffen und auf Hochglanz poliert werden, ehe sie in wiederverwertbare Pappe verpackt Richtung Politik expediert werden?

Egal, meine Ideenproduktionsstätte wird mit pinkfarbenem Plüsch ausgeschlagen. Hardbop perlt aus den Boxen, weil man herausgefunden hat, dass das die Entwicklung der Mitochondrien fördert. In der Mitte prasselt ein beruhigendes Kaminfeuer. Um den Wellnessbereich, in dem meine Zukunftsforscher und ich entspannt in unseren warmwassergefüllten Thinktanks herumplätschern, beneidet uns selbst Googlappazon. Aus den negativen Emotionen des Silicon Valleys spinnen wir elastische Fäden und stricken neuronale Netzwerke.

Falls ich dann immer noch schreiben sollte, schaue ich bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorbei und klaue ihr den Pluralis Majestatis. Im Redaktionsflur hängt dort nämlich irgendwo ein Giftschrank, in dem Journalisten morgens ihr Ich einsperren und ein Wir herausholen müssen, damit sie selbst die persönlichste Erfahrung, den intimsten Testbericht als konsensfähiges Gruppenerlebnis ausgeben können.

„Als wir den 1.000-PS-Wagen starteten, drückte uns der Schub in den Fahrersitz.“ Ja, da möchte man auch lieber nicht allein drinsitzen, zumal „wir“ in so einem Geschoss nicht mehr ganz uptodate rüberkommen und Unterstützung brauchen, wenn die Grünen „uns“ das Autofahren verbieten.

Damit sie ihre Welt retten können, müssen sie leider auch Sätze schreiben wie „Annalena Baerbock lächelt dieser Tage besonders angestrengt, bei der Schminke hat sie noch mal eine Schicht draufgelegt.“ Das habe ich nun echt nicht erfunden, und es stammt auch nicht aus dem Special „Kosmetik für Chefredakteure“, sondern leider aus der Politikberichterstattung der FAZ.

Ich vermute, die Schminke hat „uns“ nicht gefallen. Spätestens jetzt sollte „uns“ ja wohl wirklich klar sein, dass „wir“ diese Frau nicht mehr wählen können. Denn das verkündet die FAZ seit Monaten, während sie verzweifelt versucht, Armin Laschet zu größerer oder überhaupt irgendeiner Bedeutung hochzuschreiben.

„Armin Laschet trägt dieser Tage seine Hose besonders angestrengt, und beim Kämmen hat er noch mal eine Schippe draufgelegt.“ Wo dürfen „wir“ das mal lesen? In der Denkfabrik Agora Journalismuswende?

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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1 Kommentar

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  • ...„Armin Laschet trägt dieser Tage seine Hose besonders angestrengt, und beim Kämmen hat er noch mal eine Schippe draufgelegt.“..



    Das ist sehr gut geschrieben.



    ...Versuche, einen Roman zu schreiben. Du vermagst es nicht? Dann versuch es mit einem Theaterstück. Du kannst es nicht? Dann mach eine Aufstellung der Börsebaissen in New York. Versuch, versuch alles. Und wenn es gar nichts geworden ist, dann sag, es sei ein Essay...



    Kurt Tucholsky



    Ick brauche ein Stück Schwarze Materie . Ich würde zu gerne die Meinung von K.T., J.R., E.E.K; E.K. zum o.g. Beitrag hören.