Die Wahrheit: Der zehnte Verwender
Na, auch schon mal einen Corona-Test gemacht? Und ein Foto davon gemacht und es irgendwo hochgeladen? Warum eigentlich?
W as ja gerade so richtig trendet, ist das Impfie. Also ein Selfie mit Heftpflaster auf dem Oberarm, seltener noch mit Spritze. Eine medizinische Selbstdarstellung, bei der sich die Frage stellt, ob es wirklich so eine Leistung ist, gespritzt zu werden? Obwohl, heutzutage vermutlich schon.
Fast genauso trendig ist das Testie, also ein Foto von dem Coronatest, den man eben abgelegt hat, und der in hundert Prozent der fotografierten Fälle negativ ist. Niemand postet einen positiven Test. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Warum aber überhaupt einen posten? Wo ist der Mehrwert? Die Logik, die hinter dieser Angeberei mit dem flüchtigen Glück steht, erschließt sich mir jedenfalls nicht so ganz: Ist es nicht so, dass dieser Test bei nächster Gelegenheit schon wieder nichtig sein kann?
Ich meine, es ist ja nicht so wie damals beim HIV, wo man von einem absolvierten Test zum nächsten ein wenig Enthaltsamkeit übt oder einfach immer ein Kondom überstreift, um die Gültigkeit des negativen Tests noch weiter durch die Zeit zu tragen. Heute reicht es schon, wenn die Krankenschwester oder der Pfleger, die oder der eben noch das Heftpflaster angebracht hatte, eine unkontrollierten Niesattacke erleidet, just als sie oder er sich von ihrer Maske befreit … Mit anderen Worten: Die Angeberei mit dem negativen Test hat den Charakter eines Snapchat-Postings. Die Aktualität ist im nächsten Moment schon wieder passé. Was macht eigentlich Snapchat, gibt es das noch?
Wie wahnsinnig aufwendig und nervenaufreibend so ein HIV-Test noch in den frühen 1990-er Jahren gewesen ist. Man musste in Köln jedenfalls zum Gesundheitsamt, wurde gratisberaten inklusive schamgrenzenüberschreitender Ausfragerei nach dem jüngsten Liebesleben, bevor man nach der Blutabnahme geschlagene drei Wochen auf sein Testergebnis warten durfte! Dieses wurde nicht postalisch oder digital zugestellt, sondern in ein Klassenbuch eingetragen, das man wiederum im Gesundheitsamt mit Termin einsehen durfte. Wie lebensbedrohlich alles am Anfang des Tests schien, und wie banal dann das negative Ergebnis war!
Was ebenfalls selten thematisiert wird: Wie viel Plastikmüll da anfällt bei der ganzen Testerei. Oder die Masken! Ist nicht überall von Klimawandel, Artensterben und vermüllten Meeren die Rede?
Aber gut, das sind vermutlich Kollateralschäden. Wichtiger ist die Frage, wieso noch niemand auf die Idee gekommen ist, transparente Masken herzustellen. Es gibt transparente Zahnschienen und -spangen, die die ungehobelt wachsenden Zähne junger Angepasster richten und in Form bringen können, und es gibt die Unbeholfenheit der meisten, die im direkten sozialen Kontakt – natürlich auf Abstand – nicht mehr in den Gesichtern der anderen lesen können. Also warum gibt es noch nicht die transparente Maske? Schutz vor Corona und trotzdem die Freiheit des Minenspiels! Und der Interpretation! Neun von zehn Verwendern zeigten sich zufrieden! Na?
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