Die Wahrheit: Die Liebe zur Nudel

Als Student hasste unser Kolumnist Köche und Kochen. Heute ist er noch lange nicht am Ende seines Fernstudiums „Kochsendung“ angelangt.

Kochen sei ja das neue Essen, heißt es. Tatsächlich ist der Kochhype schon länger virulent – als begnadeter Esser, aber nicht ganz so talentierter Sterne-in-weiter-Ferne-Koch habe ich dieses ganze Kochding bislang weitgehend an mir vorüberziehen lassen – wie den Duft nach frischer Polenta mit Pilzen und Salat.

Aber mit der Zeit wird man älter und gemütlicher, und da draußen ist seit neulich auch noch dieses Ding, das sie Corona nennen, und so finde ich mich auch wegen permanenter charmanter Sofasurfbegleitung inzwischen des Öfteren auf der Couch wieder, wenn auf Vox „Das perfekte Dinner“ oder Ähnliches samstags kurz vor der „Sportschau“ läuft.

Dabei habe ich in meinen Studentenjahren Kochen und die Leute, die das mit Inbrunst tun, mit fast der gleichen Inbrunst gehasst. Der anständige Bohemien frühstückt Espresso und Zigarette, so war das jedenfalls damals, am späten Nachmittag trat man den Gang ins Café an und abends gab es Stammessen III in der Mensa, mehr Glamour ging nicht. Jetzt jedoch sehe ich der provinziellen Mittelschicht gern beim Wettkochen zu, es fallen Namen von Gewürzen, von denen ich noch nie gehört habe, und außerdem lassen sich auch bequem vom Sofa aus soziologische Studien abhalten, etwas Akademismus muss schließlich sein.

So zeigt sich, dass heutzutage Schiefertafeln in sind. Für Nachspeisen. Dass die Michelin-Mann-Jacken, die von Bundesligatrainern getragen werden, auch in Neustadt an der Weinstraße beliebt sind. Dass nicht mehr nach dem G-, sondern nach dem Gar-Punkt gefragt wird. Und dass trotz allen Klimabewusstseins bei Männern das gute Fleisch, am besten medium, ganz weit vorn ist.

Nachspeise mit Schokobremsspur

Zudem scheint in jedem zweiten Haushalt eine Eismaschine zu stehen, und auch die Bäcker­innung ist inzwischen bis ins Letzte durchprivatisiert, das Brot backt man gefälligst zu Hause – und nicht nur eins.

In Sachen Einrichtung herrscht ein komischer Prollschick vor, von dem ich – meine Einrichtung ist immer noch streng skandinavisch – wirklich keine Ahnung habe. Vermutlich im Stil der Eighties, aber auch derart pseudoneureich und ästhetisch schlimm wie klobige Uhren von Rolex oder eckige Blumenvasen.

Das Essen selbst sieht oft sehr gut aus, kommt in reichlich Variationen und wird gern französisch serviert – also knapp, aber ausgefeilt und mit üppiger Verzierung versehen. Keine Vorspeise ohne „gestürzten Milchreis“, kein Hauptgericht ohne ein kleines, wie frisch vom Baum heruntergesegeltes Blatt Irgendwas, keine Nachspeise ohne Schokobremsspur.

Man lernt also einiges, und am Ende meines Fernstudiums „Kochsendung“ bin ich noch lange nicht. „Die Liebe zur Nudel sollte niemals zur Routine werden“, findet ja auch eine Nudelfirma, die diese Firmenphilosophie gleich unter „Unsere Überzeugung“ auf eine Packung Bandnudeln drucken ließ. Zum „Nachkochen“ kommt es allerdings nicht.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.