Die Wahrheit: Warum immer Ich?

Erst Corona, dann die Sache mit Trump, und jetzt tropft auch noch Wasser aus der Decke … wo bleibt der Notdienst? Keine Chance, ist noch nicht 18h.

Och nee“, dachte ich, nachdem ich nach Hause gekommen und in mein Büro getreten war, „erst Corona, dann die Sache mit Trump, und jetzt tropft auch noch Wasser aus der Decke auf meinen Drucker. Warum ausgerechnet immer ich?“

Es tropfte sogar sehr ordentlich, es war direkt ein kleiner Wasserfall. Ich stürzte zu den Mietern über mir. Leider war niemand zu Hause. Verdammte Regierung! Diese viel zu milden Anti-Corona-Maßnahmen! Warum dürfen die Leute immer noch sinnlos in der Gegend rumlaufen? Ich fühlte mich wie Sophie Scholl, Sophia Loren und Sophie Passmann zusammen.

Aber was sollte ich jetzt bloß machen? Tür aufbrechen darf man bestimmt auch wieder nicht, nichts darf man ja mehr in diesem Land, überall wird man unterdrückt und mundtot gemacht. Ich eilte in den Hauseingang zum Aushang der Hausverwaltung. Darauf las ich, dass die Sprechstunden wegen Corona ausfallen. Das macht nichts, dachte ich, ich will sie ja nicht besuchen. Ich will nur, dass sie jemanden vorbeischicken.

Ein Anrufbeantworter ging ran. Er begrüßte mich ausgiebig und langwierig. Ich erfuhr, in welchen Städten unsere Hausverwaltung ihr segensreiches Wirken zugunsten des Mieters entfaltet, dass sie stets nur unser Bestes will, dass sie jederzeit für jedwedes Anliegen bereitsteht, dass man dieses Anliegen aber gefälligst schriftlich einzureichen habe, da wegen Corona gerade keine Sprechzeiten sind. Ich fluchte.

Und rief die Havarie-Notfallnummer an. Ein Anrufbeantworter informierte mich, dass ich während der Geschäftszeiten der Hausverwaltung anrief und in dieser Zeit Notfälle bitte dort zu melden seien. Was tun? Feuerwehr verständigen? Technisches Hilfswerk? Christian Drosten? Ich versuchte es bei der Hausmeister-serviceagentur. Zu meiner eigenen Überraschung ging immerhin so etwas wie ein lebender Mensch ran. Ich schilderte ihm das Problem. Er sagte: Es sei leider noch nicht 18 Uhr. Ab 18 Uhr sei er der Havarie-Notdienst, vorher sei er leider nicht zuständig, sondern die Hausverwaltung.

„Aber bei der Hausverwaltung geht niemand ran!“, rief ich zunehmend verzweifelt, „und bei mir fließt Liter um Liter durch die Decke!“ – „Das ist gefährlich“, informierte der Hausmeister mich, „das dürfen Sie nicht einfach laufen lassen. Schreiben Sie eine E-Mail an die Hausverwaltung.“ – „Und Sie meinen, die sitzen da, aber gehen wegen Corona nicht ans Telefon, weil sie Angst haben, sich am Hörer zu infizieren? Und lesen trotzdem ihre Mails, oder was?“– „Versuchen Sie es. Wenn sich bis 18 Uhr niemand gemeldet hat, rufen Sie noch mal an. Dann komme ich und drehe einfach den Hauptwasserhahn ab.“ – „Um 18 Uhr? Das ist in zwei Stunden! Bis dahin ist meine Wohnung ein Wasserschutzgebiet!“ Da legte er einfach auf. Verdammt. Erst Corona, dann die Sache mit Trump, und nun hat mich auch noch die Hausmeisterserviceagentur mundtot gemacht. Warum ausgerechnet immer ich?

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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