Die Wahrheit: Nase pudern, ohne einzuatmen
In der Werbung finden derzeit seltsam widersprüchliche Dinge statt. Manche Marken möchten sich unbedingt in Verruf bringen.
E ine subtile Unterwanderung der Werbebranche scheint sich momentan in einer an vielen Plakatwänden publizierten Kampagne für „Tabakerhitzer“ Bahn zu brechen. Für jene „risikoreduzierte“ Zigarettenalternative, mit der man das Gift, auf das Erwachsene ihr Recht haben, hervorragend an den Menschen bekommt, wird mit ungewöhnlichen Sprüchen und Motiven geworben.
Auf einem Poster der Reihe sieht man einen jungen Mann und eine junge Frau mit Tabakerhitzer in der Hand, links von ihnen hängt eine Jacke im Bild, die typischen Reißverschlüsse eines Bikerjackets sind prominent erkennbar. Daneben sieht man ein paar kleine Pappschachteln, die Asiatisches beinhalten – die Stäbchen liegen bereit. Der Slogan, der dick und weiß darunter prangt, lautet: „Tofu ordern & Leder tragen“.
Mit anderen Worten: Heuchler, Mode-Tierschützer, Pseudo-Nachhaltigkeitsfreaks – das ist eure Marke! Erstaunlich, wie offen der Hersteller mit dem Thema Hypokrisie umgeht. Weitere jener Tabakerhitzer-Plakate zeigen bärtige Nutzer mit tätowierten Waden, Slogan: „Oben Wachsen & unten Waxen“.
An andere erinnere ich mich nicht genau, aber eventuell war da noch was mit Bienen retten und nach Malle fliegen oder gegen den Kapitalismus demonstrieren und Geld von Mama und Papa kriegen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Konzern ein Plakat herausbringt, auf dem unter einem Foto von Bill Clinton steht: „Marihuana rauchen & nicht inhalieren“.
Entweder sind sie so, die neuen, jungen Pseudoraucher, und stehen auch noch zu ihrem erratischen Verhalten, oder das Ganze ist ein komplexer Versuch, die Marke in Verruf zu bringen. Letzteres ist natürlich spannender: Seit ein paar Jahren gelingt das einer Müslimarke, deren Erfinder aus dem Schwäbischen kommt, ganz prächtig. Ich durfte schon viele Tweets bezüglich der ständigen Wiederholung des Markennamens lesen, die nach tödlichen Verwünschungen klangen.
Auch Werbefuzzis haben eben Tiefen, unterdrücken frustrierte Wutblasen und planen die Revolution oder den Umsturz. Nicht umsonst zerschlägt in dem schönen alten Witz der Schimpanse, der ein Jahr lang in einer Werbeagentur lebte, die Haselnüsse mit dem Hammer, zieht sich die zermahlenen Schalen in die Nase, klatscht der Affenpflegerin auf den Hintern und sagt: „Ich kann so nicht arbeiten!“
Neulich sah ich einen Werbespot aus den vollgekoksten Achtzigern, in dem das mit dem Drogengebrauch ein wenig unauffälliger thematisiert wurde: Eine junge Frau in Disco-Outfit kehrt gähnend bei Sonnenaufgang in ihr pompöses Haus zurück, schminkt sich ab, schminkt sich neu, schüttelt die Locken auf, schmeißt sich in ein Powerdressing-Outfit, küsst den halbnackten, schlafenden Mann in ihrem Bett, grabscht nach der ledernen Tasche in Din-A4-Format und rauscht aus dem Haus, zur Arbeit. Angeblich ging es bei der ganzen Sache um die von ihr benutzten Kosmetikprodukte. Aber mich kann man nicht täuschen.
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