Die Wahrheit: Die Aale kamen über Land

Gern verklären Iren die wunderbare Natur ihrer grünen Insel. Um dann hintenrum in einem Naturpark eine Müllhalde zu errichten.

Die Iren sind stolz auf die Natur ihrer Insel. Dabei haben sie nichts dazu beigetragen, die Natur war einfach da. Und manchmal erscheint sie aus heiterem Himmel, zum Beispiel in Tallaght, einem südlichen Vorort Dublins. Dort war in einer Ecke des Seán Walsh Memorial Parks, benannt nach einem 1989 verstorbenen Politiker, wo man Jahrzehnte lang Schlamm verklappt hatte, ein Biotop entstanden. Viele geschützte Tierarten hatten sich angesiedelt, darunter Frösche, Molche, Fledermäuse, Bienen und Aale. Aale? Die müssen über Land gekommen sein.

Collie Ennis von der Herpetologischen Gesellschaft Irland machte sich vor Aufregung in den Juteschlüpfer, als er vor einem Jahr zufällig auf das „einmalige Kleinod“ stieß. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte er damals. „Es war ein kleines Wunder, ein Mosaik von Lebensräumen mit Röhrichten, Trauerweiden, Grasland.“

Er gewann die Unterstützung der Dubliner Grafschaftsverwaltung, die umgehend Pläne entwickelte, um das Feuchtgebiet zu schützen. Es sollte später sogar mit anderen Parklandschaften verbunden werden, um einen Grünzug bis zu den Dubliner Bergen zu schaffen. „Sie waren sehr enthusiastisch“, sagte Ennis.

Wie enthusiastisch sie wirklich waren, stellte er fest, als er neulich nach Tallaght zurückkehrte, um die Tierwelt zu katalogisieren. Das Biotop war wie ein Parkplatz planiert. „Keins der Lebewesen hatte eine Chance“, sagte Ennis. „Sie sind alle lebendig begraben worden.“ Die Grafschaftsverwaltung hatte ihn offenbar hereingelegt und das Gebiet in eine Mülldeponie umgewandelt.

Liam Sinclair, Stadtrat der Grünen, sagte, es sei eine verpasste Gelegenheit, die Anwohner miteinzubeziehen. Die hatten allerdings jahrelang ihren Müll in dem Park entsorgt, mehr als 40 Tonnen hatten sich angesammelt. Man werde die Sache überprüfen, erklärte der Grafschaftsrat, aber das Beste sei nun mal, das „Material so nah wie möglich an seinem Ursprungsort zu entsorgen“.

Man werde jedoch weiterhin daran arbeiten, Feuchtgebiete in der ganzen Grafschaft mit Hilfe des „Feuchtgebiet-Konstruktionsprojekts“ zu verbessern. Wo käme man auch hin, wenn sich irgendwelche Feuchtgebiete eigenständig und ohne Kontrolle der Politiker ausbreiten? Das kennt man doch vom Tourismus. Man lässt die Besucher nicht einfach zu den irischen Naturwundern, denn das bringt kein Geld ein. Stattdessen baut man Interpretationszentren, um den Touristen die Umwelt zu erklären. Im Grunde braucht man die Natur dann gar nicht mehr, weil man sie virtuell genießen kann.

Das wäre doch auch eine Lösung für Tallaght: Man könnte ein traditionelles Cottage bauen und einen Film über das ehemalige Feuchtgebiet zeigen. Nur die Aale werden nicht mitspielen. In freier Wildbahn können sie ein Alter von 50 Jahren erreichen. Außer, sie landen in Dublin.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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