Die Wahrheit: Nacktskilauf im Kleinwalsertal
Wenn Metalheads Schneehänge hinabschießen, dann kann es schon mal durch alle Ritzen pfeifen und die Zuschauer aus den Liften heben.
M itunter haben Metalheads tatsächlich noch eine andere Passion neben der zeitraubenden Aufgabe, Metalhead zu sein. Ich bin dagegen, es lenkt nur ab. Aber meine Freundin Annegret reist Steel Panther hinterher und läuft außerdem gern Abfahrtski. „Man lernt da nette Menschen kennen, neulich zum Beispiel beim Bergdoktor“, rechtfertigt sie sich und holt dann etwas weiter aus.
Sie habe sich kürzlich ein Wochenende im Kleinwalsertal gegönnt, mit ihrem neuen Lover. „Er ist ein bisschen dumm, hat aber einen geilen Körper.“ Und fährt auch Ski. Gemeinsam lassen sie sich auf den Berg ziehen und rutschen die erste Etappe runter. „Alles schick.“ Aber dann muss sie mal für kleine Konfirmandinnen. Er pirouettiert weiter, sie sucht sich einen Busch. Dummerweise ist die Piste sehr steil. Kaum hat sie die Hosen runter und sich hingehockt, nehmen die Skier Fahrt auf.
„Ich wollte mich natürlich nicht mit nacktem Pöter in den Schnee setzen“, meint sie mit lauterer Engelsmiene. Also jachtert sie hangabwärts, untenrum frei. „Du, ich kann dir sagen, das pfiff durch alle Ritzen.“
Schließlich kommt es zum Äußersten. Der Textilienwulst an den Knöcheln behindert sie beim Kurven, ihre Füße verheddern sich und so macht sie eine ziemlich unelegante Grätsche ins ewige Eis. „Da biste aber erst mal satt, das kann ich dir flüstern“, meint sie. Gar nicht flüsternd, sondern laut johlend.
Nach einer heißen Dusche im Hotel ist sie wieder einigermaßen hergestellt, aber am nächsten Tag bemerkt sie plötzlich „dieses Jucken zwischen den beiden großen Zehen“. „Da ging Dummchen natürlich die Düse.“ Er drängt sie, den Arzt aufzusuchen. Also wirft sie ihre Kutte über und nimmt im Wartezimmer Platz. Dort sitzt schon eine Frau im Motörhead-Sweater und Schnürlederhose. Begrüßung, Horns etc. Man kommt ins Gespräch, lästert ein wenig über die Skilehrer-Fittis, über den blöden Dialekt hier und selbstredend werden auch die männlichen Begleitungen durchgenommen. Beides Weichspüler, der eine hört Beatles, der andere alles, was so im Radio läuft.
Schließlich bemerkt Annegret den auf gut fünffache Größe angeschwollenen Ellenbogen. „Elefantiasis?“ Madame Motörhead lacht mit, würde aber eigentlich lieber weinen. Wie das denn passiert sei, fragt Annegret. „Verrückte Geschichte.“ Sie habe sich gegen Mittag mit ihrem John Lennon in den Lift gesetzt. „Wir sind sind halb oben, da knastert doch eine Frau ohne Hose den Berg runter, ich glaub, ich spinne, du hast voll ihre Bürste gesehen.“ Sie verrenkt sich nun nach der Nacktläuferin, passt nicht auf und plumpst aus dem Lift. Annegret gibt sich ordnungsgemäß empört. „Hier ist was los!“
„Ob die einen Film gedreht haben?“, fragt das gefallene Mädchen immer noch perplex. „Du, keine Ahnung, was hier abgeht.“ Dann wird das Lemmy-Fangirl aufgerufen und kurze Zeit später mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. „Verdacht auf Trümmerbruch!“, grinst Annegret.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott