Die Wahrheit: Kontroverse Roller
Neues aus Neuseeland: Im Land der langen weißen Wolke wurde just ein neues Verkehrsmittel eingeführt – mit rasanten Folgen.
Vorige Woche ging ich zum indischen Holi-Fest im Stadtpark. Man tanzt dabei wild zu Punjabi-Pop und schmeißt mit Farbe um sich. Bis auf den giftigen Pudergeschmack im Mund war es toll. Aber was noch mehr Spaß machte, war die Fahrt dorthin: Ich lieh mir zum ersten Mal einen Lime-Scooter aus. Das sind elektrische Tretroller, die man mit einer App mieten und überall wieder abstellen kann. Das saust!
Meistens kommt ja alles, was als flott gilt, bei uns erst an, wenn es in Europa längst ein alter Hut ist. Auf Ikea warten wir noch immer, wahrscheinlich zusammen mit Bhutan. H&M gibt es erst seit anderthalb Jahren. Als es eröffnete, campten Teenies die Nacht davor auf dem Bürgersteig, wie beim Konzert einer Boyband. Doch mit den Scootern liegen wir vorne. Im Oktober ging’s mit 600 Stück in Auckland und 400 in Christchurch los. Dunedin und Wellington zogen nach.
Im Technik- und Service-Land Germany gibt’s diesen Flitze-Service bisher nur in Frankfurt und Berlin. Das klingt jetzt hoffentlich nicht hämisch. Damit all die, die noch nicht limescootern durften, sich besser fühlen, hier die Ernüchterung: Lime-Scooter sind das Kontroverseste, was uns seit Wochen und Monaten am 42. Breitengrad bewegt. Die Spaltung geht so tief wie beim Brexit; die Diskussionen und Kolumnen nehmen kein Ende. Seit Jacinda Arderns Baby hat kein Thema Aotearoa mehr bewegt als das limettengrüne Fahrdings.
Denn kaum waren die Roller im Verkehr, verlangte Aucklands Bürgermeister Sicherheitsmaßnahmen, weil eine Stadträtin fast umgefahren wurde. Man darf damit nämlich nur auf dem Bürgersteig, aber nicht auf der Straße fahren. Love them or hate them: Seit die Rollerwelle begann, gibt es nur Fan oder Feind, also Bürgersteig-Fahrer und Bürgersteig-Opfer. Eine Rollerfahrerin krachte in einen Laster und wurde schwer verletzt. Sofort wurde Tempo 10 gefordert.
Kiwis sind ja große Erfinder. So dauerte es nicht lange, bis ein Spaßvogel in Dunedin auf die Idee kam, einen Sessel auf einen Scooter zu setzen und damit eine Spritztour zu machen. Ebenfalls in Dunedin – irgendwas tun sie dort ins Wasser, schätze ich – trat ein Mann Mitte Januar die Scooter-Fahrt auf der kurzen und noch dazu nassen Baldwin Street an. Das ist die steilste Straße der Welt. Es gab schon mal einen Toten dort, allerdings im Einkaufswagen.
Der britische Fernsehkoch Gordon Ramsay war gerade im Lande und entzückte Millionen Fans mit einem Video, in dem er begeistert am Wasser entlang rollert. Doch wie die Flitterwochen ausgehen, die der Rest des Landes mit den Lime-Scootern genießt, ist noch ungewiss. In Auckland wurde der Vertrag bis März verlängert. Christchurch entscheidet nächste Woche. In unserer Stadt sind noch zu viele Bürgersteige vom schweren Erdbeben vor acht Jahren kaputt. Jemand schlug prompt vor, von der Roller-Miete einfach etwas für die Reparaturen abzuzwacken kann. Eine aufrüttelnde Idee!
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