Die Wahrheit: Im Filmhimmel
Neues aus Neuseeland: Seit Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung geht der Filmstoff in Aotearoa nicht aus.
S eit Kolonialzeiten wird der schönste Arsch der Welt vom „cultural cringe“ geknebelt – der Schmach der Kiwis, unbedeutend und rückständig zu sein. Doch dann kam mit dem Millennium eine neue Ära. Jeder im Lande, der ein Pferd oder ein Kabel halten konnte, war in die Dreharbeiten von „Der Herr der Ringe“ verwickelt. Das öffentliche Leben stand fast still.
Dass ein damals international beinah unbekannter Regisseur namens Peter Jackson, der mal einen Porno mit Handpuppen und ein paar Horrorfilme gedreht hatte, einen Dreiteiler von Hollywood-Format durchziehen könnte, war bis dato undenkbar. Beim großen Bruder Australien feierten sie mit „Priscilla, Queen of the Desert“ die tragisch-komische Reise dreier Drag Queens durch das Outback. Und in Neuseeland? Ermordete Mütter und Wahn in der Wildnis. Viel zu düster. Selbst die Komödie „Goodbye Pork Pie“, ein Kiwi-Klassiker, endet mit einem Mord.
Doch dann kam Frodo und für Aotearoa die Erlösung. Pop-Kolumnistin Kylie Klein-Nixon, die wegen eines besonders schlimmen Anfalls von „cultural cringe“ wie so viele das Land verlassen hatte, sah „The Two Towers“ in London – sechzehn Mal. „Danach fühlte sich Aotearoa größer an und näher dran.“ Alle Scham und Schande über die hinterwäldlerische Kiwi-Kultur, die stets im eigenen Saft mit einer zu kräftigen Prise Psycho schmorte, verschwand im Feuer von Mount Doom.
Danach war kein Halten mehr: „Flight of the Conchords“, „Whale Rider“, „Boy“, „The World’s Fastest Indian“, „In My Father’s Den“, „What We Do in the Shadows“, „Hunt for the Wilderpeople“, „Waru“, „Kim Dotcom: Caught in the Web“ – enorm, was Neuseelands Filmemacher seitdem auf die Leinwände und Bildschirme gebracht haben. Schon gar nicht schämen muss man sich für Taika Waititi, der mit „Thor: Ragnarok“ großes Action-Kino mit Maori-Humor macht. Kapai!
Und wo ich schon beim Loben bin – stopp, das darf man in Neuseeland auf keinen Fall sich selbst; man muss Verbündete haben, die den Erfolg elegant ans Licht bringen, während man sich desinteressiert an Ruhm und Karriere zeigt, und auch darüber gibt es einen wunderbaren Zeichentrick-Clip in der Serie „Life Swap“: Wir sind endlich auf Netflix gelandet. Wenn das nicht so toll wie der rote Teppich ist, über den damals Orlando Bloom bei der „Ringe“-Premiere in Wellington schritt! Jubel allerseits.
Seit einem Monat läuft auf Netflix „Dark Tourist“, die Doku-Serie von David Farrier, der als die neuseeländische Version von Louis Theroux gehandelt wird. Er besucht die gruseligsten Ferienziele von radioaktiven Katastrophenstätten in Japan bis zum Schauplatz des Kennedy-Attentats in Dallas, kriecht mit mexikanischen Schmugglern durch die Wüste und setzt sich einem Voodooritual aus. Die Idee hatte auch der britische Spaßvogel Dom Joly, der das Buch „The Dark Tourist“ schrieb. Aber Farrier landete den Coup. Obwohl es natürlich doch wieder etwas düster wird.
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