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Die WahrheitWoraus Gündogan erwächst

Sprachkritik: Schreiben Journalisten, ahnt man oft, was gemeint ist. Und wenn nicht? Dann hilft eben nur noch Fühlen.

Journalisten stolpern gern über die eigene dicke Zunge Foto: ap

Ja, Dichter dürfen schwerverständlich schreiben und Zeugs zu Papier bringen, dessen Sinn dunkel ist. Journalisten nicht: Sie drücken sich so aus, dass die Leser ohne Mühe über das Wer, Was, Wie und Wo im Bilde sind. Deshalb benutzen sie zum Beispiel an sich überflüssige Wörterchen, als da sind Modalwörter, Adverbien, Interjektionen und was nicht alles, genau so, wie es Lieschen Müller und Mohammed Meier täglich tun, um ihre Rede geschmeidig zu machen.

Sagte Marx noch allzu knapp: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an, sie zu verändern“, so lautet der Slogan für die taz-Zeitschrift futurzwei viel besser: „Die Ökos haben den Kapitalismus bisher nur interpretiert, es kommt aber darauf an, ihn zu verändern.“

Auf diese Weise wird explizit gemacht, was implizit bereits im Satz steckt, und die Leserschar bedankt sich für die notwendige Hilfe. Deshalb muss es auf den taz-Leibesübungen heißen: „Mesut Özil hat 92 Länderspiele bestritten und dabei 23 Tore geschossen“, damit niemand irregeht und auf den Gedanken verfällt, Özil habe überhaupt erst 23 Tore in seinem Fußballerleben geschossen. Die taz-Kulturredaktion sorgt ebenfalls für Klarheit: „1966 konnten Alexander Kluge, Ulrich Schamoni, Edgar Reitz und Volker Schlöndorff jeweils ihre Debüt-Langfilme vorlegen“ – und nicht einer womöglich den Film eines anderen, das wäre vielleicht ein Kuddelmuddel.

Klarheit muss sein. Aber man darf es auch nicht zu genau nehmen! Hauptsache ist, dass man weiß, was gemeint ist: „Statt Leitkulturen zu verkünden“, so die taz, „sollten Organisationsspitzen ihre Energie auf den Bereich dessen verwenden, was sie faktisch beeinflussen können.“ Daran ist nichts auszusetzen.

Gut, der Autor hat keine Energie auf den Bereich verwendet, den er faktisch beeinflussen kann, die Grammatik. Aber nur Pedanten beharren stupide auf korrektem Satzbau, stimmiger Semantik und gutem Stil. Man versteht einen Satz doch selbst dann, wenn man das Gegenteil des Gemeinten sagt! „In seinem zweiten Fall ermittelt Jimmy Perez den Mord der Schülerin Catherine“ (endlich mal nicht taz, sondern ARD) – natürlich ist sie nicht die Mörderin, sondern die Ermordete.

Man darf in der Sprache nicht am Wortlaut kleben. Die taz (seufz) mahnt, gegenüber der AfD „Haltung zu zeigen und alle nicht grundgesetzkonformen Vorhaben dieser Partei mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu verfolgen“: Ob man die Vorhaben der AfD, statt sie zu verfolgen, nicht besser bekämpft? So fragt mal wieder nur der Beckmesser. Man weiß doch, was gegen rechts zu tun ist! Da geht es nicht nur um Worte, Dummkopf!

Gerade wenn man mit Sprache arbeitet, sollte man nämlich Worte nicht auf die Goldwaage legen. Das beweist auch das folgende Zitat aus der taz (ächz). Darin geht es kritzekratzeklar um eine „Abrechnung mit dem konservativen, protofaschistischen, patriarchal geprägten Teil der US-Gesellschaft, die für Rassenhass und Unterdrückung der Natives steht“ – sehr richtig, denn aufgeklärte Leser wissen, dass das patriarchalische Relativpronomen „der“ zum „die“ gegendert werden muss, um sprachlich Gerechtigkeit herzustellen. Und sei es auf Kosten der ganzen US-Gesellschaft!

Wichtig ist der gute Wille. Wenn also die taz (schnief) sich in der Debatte über Rassismus zu Wort meldet: „Dass in der deutschtürkischen Community spätestens seit 1990 kollektive Ängste vor Rassismus und Abwertung stärker denn je geworden sind, dass es eine Wahrnehmung als neudeutsche Bürger*innen gibt, die Herzenskälte und Desinteresse an ihnen signalisieren, hat der DFB nie merken wollen“ – dann mag das für steifbeinige Oberstudiendirektoren ein Satz sein, durch den die Löcher pfeifen, aber man ahnt, was gemeint ist, und wenn nicht, fühlt man die gute Absicht – nur darum geht es, und das gilt für Mesut Özil ebenso wie laut taz (wimmer!) für den „aus einer türkischstämmigen Familie erwachsenen Ilkay Gündogan“. Nur blöde Besserwisser tadeln, dass Gündogan und seiner Familie aus diesem Satz ein Schaden erwächst, weil sie zu Sachen herabgewürdigt werden. Erdogan ist Sache, Idiot!

Man muss schon böswillig sein, um klitzekleine Fehler an die große Glocke zu hängen. Da konstatiert die taz (winsel!), dass Deutschland bei den Winterspielen in der Nationenwertung hinter dem Sieger Norwegen landete und „der knapp verpatzte zweite Platz auch nicht durch eine andere Berechnung verbessert worden könnte“: Klar liegt es für jeden bescheuerten Kritikaster nahe zu fragen, was der verpatzte zweite Platz eines Zweitplatzierten bedeuten mag – aber solche Versprecher und Verschreiber passieren auch in der Umgangssprache, und an sie hält sich ein Journalist, der seinen Job mit Liebe erledigt. Im Unterschied zu einem nichts als arroganten Sprachkritiker!

Sie wissen schon, wie es gemeint ist.

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11 Kommentare

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  • Zuviel Text = Laberei meint der Norddeutsche und Moin Moin ist definitiv Laberei.

    Die Wahrheit platzt auf dem Platz.

    • @Justin Teim:

      “Hei hett dat ann Muul - as de Katteiker



      An Steert!“ - Gewiß Gewiß - kein -



      Kompliment im Hohen Norden!

      Aber - Jung! “Holsatia non cantant!“



      Stimmt halt auch nicht - immer!

      unterm——



      Fritz Reuter Theodor Storm Gorch Fock



      Ja - das waren schon schweigsame Gesellen - von Erich Mühsam - gar Heinrich & gar Schwätzer Thomas mal ganz ab - wa! &&&……selber einsetzen!



      (4x Katzenmuseum HL!;)



      &



      Über die Bauernfeste zum 70. 80. ff



      Das Hallo dort -;)) - ja da lacht der Kleingärtner!;) Aber liggers.



      kurz - “Dee? Dee weet doch vonne Steenstroot nix aff!“

  • ff&Däh!

    Die Frauen, für die dieses Blatt gemacht ist, werden Polgar noch mehr zu schätzen wissen, als ich es tun kann: er ist, neben vielen ändern, ein im allerbesten Sinne homme de lettres à femmes; auch, wenn er gar nicht von den Frauen spricht, fühlt jede sofort: dieser weiß, wie ich bin, versteht mich, streichelt mich, fürchtet mich, liebt mich, ist für mich da. Vor dieser Zartheit kommt sich unsereiner vor wie der rauhe Jäger, der den Hirsch im wilden Forst jagt...



    Und dennoch hab' ich harter Mann



    die Liebe auch gefühlt ...

    Polgars neuer Auswahlband »Schwarz auf Weiß« (bei unserm gemeinsamen Verleger Ernst Rowohlt erschienen) enthält Kostbarkeiten über Kostbarkeiten. Und ist gut geschrieben. Ich kenne den Schaffensprozeß Polgars nicht und weiß nicht, ob er im Hirn korrigiert oder auf dem Papier, das soll uns auch nicht kümmern. Eine überwache Aufmerksamkeit verhindert auch den leisesten Schwupper; nie drängeln sich die Worte vor der Hirnpforte des Lesers, sie gleiten hinein, verbeugen sich artig voreinander und sind höflich und glatt wie die Japaner ... Auch hat Polgar den innern Rhythmus der deutschen Prosa begriffen: es gibt stakkatone Stücke; Allegro und Scherzo wechseln miteinander ab, aber meist ist es ein bezauberndes Andante, darin die Spitzen der Ironie einer längst ins Heitere gewandelten Qual und einer nicht immer süßen Erkenntnis auffunkeln. Manchmal rührt sich die Trommel des Scherzes: »Es wäre peinlich, wenn Sie von diesem Abend sagten: Heute war ich zweimal bei einer Vorlesung Polgars: zum ersten- und zum letztenmal.« Von Arne Borg: »Er schwimmt nicht, was zu sagen ja wirklich naheläge: wie ein Fisch. Nein, ein Fisch schlechtweg reicht nicht aus zum Bilde. Er schwimmt wie ein gehetzter Fisch, wie ein Eilfisch, poisson rapide, wie ein aus der Pistole geschossener Fisch.« Paukenschlag: »Tiere, außer man zwingt sie dazu, haben keinen Beruf.« Traum über das traurige Dasein eines Liftpagen – wenn man ihm das ganze Hotel schenkte ...?

    ff

  • "Die Selbstgritik hat viel für sich..." (Grins.)

    • @mowgli:

      ;)) Gewiss - Miss - ;)

      But. Bin ich Journalis*¿*

      • @Lowandorder:

        & Tusch - mailtütenfrisch

        “ und MOWGLI gibt den Busch...



        "Die Selbstgritik hat viel für sich..." (Grins.)







        Bei Liggersthenie weiß frauman nie... “

        Liggers

  • & - weils so schön sodann



    Soll mal Almeister Tucho ran!;))

    Schwarz auf Weiß



    Gut geschrieben ist gut gedacht. Der Deutsche ist ein »Bruder Innerlich« und entschuldigte gern einen ungepflegten Stil mit der Tiefe des Gemüts, aus der es dumpf heraufkocht ... Gott sieht aufs Herz, sagte er dann. Der Künstler sieht auch auf den Stil.



    Seit Nietzsche dem Deutschen wieder eine Prosa gegeben hat, wissen zwar noch lange nicht alle Schriftsteller, was es heißt: »an einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule zu arbeiten« – aber viele wissen es. Alfred Polgar zum Beispiel weiß es.



    Was ich an diesem Mann neben der untadligen Reinheit der Gesinnung und dem Takt des Herzens so liebe, ist eben, daß er »gut schreibt« – das heißt: daß er zu Ende denkt, reinlich denkt, hell und klar denkt, und ein gepflegtes, durch alle Regeln der Grammatik mühelos schlüpfendes Deutsch schreibt. Ich liebe an der Literatur auch das Handwerk, das kein Ziel ist, aber eine Voraussetzung. Dieses Handwerk braucht vielerlei: Lehrzeit, Ruhe, Geduld und Gefühl für die Sprache.



    »Alfred Polgar«, hat Siegfried Jacobsohn einmal gesagt, »ist ein Kelterer.« Das ist wahr: er keltert den Wein der deutschen Sprache, die schön ist – aber diese Schönheit muß ihr abgerungen werden. Mit Arbeit soll man nicht prahlen – aber man darf sagen, daß es das nur in ganz seltenen Ausnahmefällen gibt: »aus dem Ärmel schütteln«. Im Ärmel ist nicht viel: höchstens ein paar Staubfäserchen und Wollflocken ... geschüttelt wird hier nicht: wir wollen arbeiten.

    ff & Rest of that best;)



    Versprochen

    • @Lowandorder:

      ff&fin



      Sollte man eigentlich ... »wenn auch vielleicht eine seiner ersten Chef-Anordnungen wäre, Personal und Lieferanten die Benützung des Aufzuges zu verbieten.« Dann, die bezaubernde Studie über den »Fensterplatz« – was so der Reisende im Zug denkt, nicht denkt, sanft dahindämmernd in den Wolken der Heniden und oft den Fensterplatz mit einem Gemeinplatz vertauschend. Schau, da pflügt ein Bauer seinen Acker -! »Sinnend blickst du, Stadtmann, dem Landmann nach, der dir sinnend nachblickt.«



      Das wahre Kennzeichen eines guten Stils ist seine Gedrungenheit – es kann einer breit schreiben, aber er soll nicht auswalzen – die Kürze ist nicht nur die Würze des Witzes, sie ist die Würze jedes guten Stils. Auch ein Roman von sechshundert Seiten kann kurz sein.



      Schneider Polgar, wir arbeiten in derselben Innung ich habe es nicht leicht, Ihnen eine Liebeserklärung zu machen. Nicht nur, weil Sie mir überlegen sind – wackeln Sie nicht mit der Schere – Sie sind es, und warum soll sich ein Läufer nicht vor Nurmi beugen -? Ich beuge mich. Ich weiß, wie Sie manches nähen, welchen Zwirn Sie verwandt haben, bei wem Sie das Rohmaterial einkaufen ... aber wenn es nachher fertig ist, dann ist es doch unbegreiflich und überraschend, und ich befühle die Nähte und die Knöpfe und den Besatz und frage mich: Wie macht er das -? Manchmal weiß ich es: so, wenn eine winzige Bosheit, scheinbar verkleidet und leise vor sich hinpfeifend, mit den andern Gedanken, als sei gar nichts geschehen, vorbeispaziert... Von Egon Friedell: »Er raucht lange Pfeife, schwimmt wie ein Meisterschwimmer, liebt die Geselligkeit und das Einschlafen im muntern Kreise ...« Aber in tausend ändern Fällen weiß ich nicht, wie Sie nähen.



      Ich weiß nur, daß es »gut geschrieben« ist. Weil es sauber ist und gesinnungsvoll; voller Eleganz und Charme, weil die Fäden der Arbeit nicht mehr erkennbar sind, und weil Sie der deutschen Sprache nie etwas Böses tun. Sie haben ihr nur viele prächtige Kinder gemacht.“

      Quelle *?*ff

      • @Lowandorder:

        Peter Panter



        Die losen Blätter der »Dame«, 01.03.1929, Nr. 13, S. 204, auch u.d.T. »Gut geschrieben!«.

        www.zeno.org/Liter...warz+auf+Wei%C3%9F



        &



        gutenberg.spiegel....und-andere-1193/58

        • @Lowandorder:

          Sorry - beie tazis0/1-digitalilausis

          Durch den Zerhacker der Reihenfolge



          Geraten!;))(( Ja. Es ist ein Elend! Gell.



          &



          Sach ich ja immer wieder!



          Da liegt kein Segen drauf!



          Jungs - spielt unplugged!;))

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Wer bin ich ... und wie viele?