Die Wahrheit: Die Bätschlorette
Andrea Nahles wird Bundesnachlassverwalterin der SPD – Fremdschämen ist garantiert. Dass Nahles aus der Eifel stammt: auch gebongt.
Es muss viel passieren, damit die Basta- und Currywurst-Partei SPD ihren Bundesvorsitz einer Frau anvertraut: das vielzitierte schlechteste Wahlergebnis der Geschichte, die völlige Selbstdemontage des bisherigen Parteivorsitzenden, der jeden zweiten Tag das Gegenteil dessen verkündet, was er zuvor kategorisch ausgeschlossen hat, schließlich ein ausgewachsener Bitchfight der beiden bekanntesten Genossen, bei dem es um enttäuschte Freundschaft, ein gebrochenes Wort und zu viel Körperbehaarung geht – ganz so, als wäre das Willy-Brandt-Haus die Mädchenvilla von „Germany’s Next Topmodel“.
Kurz: Die Altvorderen des Untergangs, Martin Schulz und Sigmar Gabriel, haben die deutsche Sozialdemokratie für Andrea Nahles zurechtgelegt – und das heißt: Es kann nur schlimmer werden.
Denn was das Schaffen von Fremdscham-Momenten am Rednerpult des Deutschen Bundestags angeht, hat Andrea Nahles mit beeindruckender Konstanz noch jeden und jede aus dem Feld geschlagen. Noch relativ neu in Erinnerung ist ihr Auftritt als frisch gebackene SPD-Fraktionsvorsitzende, als sie dem Hohen Haus erklärte, dass eine Regierungsbeteiligung der SPD für die Union teuer werde: „Weil sie nämlich gedacht haben, sie brauchen uns nicht mehr. Aber die SPD wird gebraucht. Bätschi, sag ich dazu nur. Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sag ich dazu nur.“
Eine Infantilisierung der politischen Argumentation, die selbst für die deutsche Sozialdemokratie ungewohntes Ausmaß hatte. Wenngleich kein Ausrutscher, wie der im Fremdschämen nicht ungeübte SPD-Beobachter sofort wusste, denn Nahles ist Wiederholungstäterin. Bereits im September 2013, damals noch als Generalsekretärin in der Opposition, hatte sie sich als mentale Dreijährige entpuppt und im Plenum das Pippi-Langstrumpf-Lied angestimmt: „Da-da-di-da-daa“, trällerte sie unbekümmert von Takt und Ton, „ich mach mir die Welt, widde-widde-wie sie mir gefällt …“
Sandkastenwortschatz
Wo weiland Herbert Wehner durch messerscharfe Polemik, verschachtelte Satzgirlanden und wunderbare Namensgebungen wie „Hodentöter“ und „Übelkrähe“ glänzte, bemüht Nahles Sandkastenwortschatz und Kindergartenrhetorik. Statt der „größten parlamentarischen Haubitze aller Zeiten“ (Heiner Geißler über Wehner) sattelt die designierte Parteivorsitzende lieber das Bobby-Car ihrer Tochter.
Wobei der Fairness halber festzuhalten bleibt, dass Andrea Nahles nur Prima inter Pares ist: Denn spätestens seit Gerhard „Gasprom“ Schröder am Gitterzaun des Kanzleramts rüttelte und krakeelte, dass er da hinein wolle, ist selbst in der Aufzucht von Kleinkindern ungeübten Zeitgenossen klar, dass die SPD rund anderthalb Jahrhunderte nach Gründung in ihre Trotzphase zurückgefallen ist. Nahles ist dabei nur das neueste Prachtexemplar der fleischgewordenen Problemzone der SPD: alt gewordenen Jusos. Und die sind schon in „jung“ kein Vergnügen – so aufopferungsvoll Kühnert und Co. um die zuckenden Überreste ihrer Partei derzeit auch kämpfen mögen.
Wer ein paar der Nachwuchs-Sozen dereinst auf der Oberschule hatte, weiß, wovon die Rede ist: Während andere Altersgenossen kifften, knutschten und die Nächte durchmachten, trafen sie sich zu Videoabenden und Fantasyrollenspielen, flankiert von einem ironischen Eierlikörchen. Denn Peinlichkeit mit Humor zu verwechseln, ist gewissermaßen Grundvoraussetzung für jeden aufrechten Juso. Und während normale junge Menschen altersgerecht gegen das Schweinesystem kämpften, rangen die Frühvergreisten mit dem Grunddilemma, das sie bis zur heutigen Regierungsfindung mit sich herumschleppen: Wie es gelingen kann, gleichzeitig links und staatstragend zu sein?
Ein Gottesgeschenk an die SPD
Der kümmerliche Rest an Jugend wird ihnen dann in der obligatorischen, mehrere Dekaden dauernden Ochsentour ausgetrieben – im Falle von Andrea Nahles: Eintritt in die SPD im Alter von 18 Jahren, Gründung eines SPD-Ortsvereins in Weiler, mehrere Jahre Vorsitzende des Juso-Unterbezirks Mayen-Koblenz, erst Juso-Chefin in Rheinland-Pfalz, dann im Bund, zehn Jahre lang Mitglied des Kreistags in Mayen-Koblenz, schließlich Mitglied des Bundestags, Generalsekretärin, Arbeitsministerin und nun: Krabbelgruppenerste.
„Ein Gottesgeschenk an die SPD“, wie der ehemalige Parteivorsitzende und für seine Nächstenliebe bekannte Oskar Lafontaine die Nahles einst nannte. Gewissermaßen das elfte Gottesgeschenk nach Viehpest, Schwarzen Blattern, Heuschrecken und dem Tod aller Erstgeborenen. Da kann eigentlich nur noch eines dräuen, wie Nahles selbst bereits im Jahre 1989 in ihrer Abi-Zeitung als Berufswunsch postulierte: „Hausfrau oder Bundeskanzlerin“.
Himmel hilf!, denkt man da als verantwortungsbewusster Mensch und bedauert, dass das Handwerk der Hausfrau hierzulande so schlecht angesehen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“