Die Wahrheit: Rache der Glitzertitten
Neues aus Neuseeland: Beim R&V-Festival hat sich Madeline Anello-Kitzmiller gegen Grapscher gewehrt. Das Video davon geht viral.
D ie Aufregung um Lordes abgesagtes Weihnachtskonzert in Tel Aviv ist kaum vorbei, da wird unsere mediale Hochsommerruhe durch eine weitere junge Dame gestört. Madeline Anello-Kitzmiller hat für das bisher meistgesehene Video aus Aotearoa im neuen Jahr gesorgt: eine Amateur-Aufnahme vom Open-Air-Festival Rhythm and Vines bei Gisborne.
R&V, wie es kurz heißt, zieht jedes Silvester internationale Musikgrößen wie Kimbra oder Franz Ferdinand an. Kim Dotcom trat dort als krawalliger Showstar auf, und stets gibt es Schlagzeilen. Im Jahr 2008 gingen in Gisborne während des Konzertmarathons die Pies und das Benzin aus. 2014 gab’s nach wüster Randale auf dem Zeltplatz 63 Verhaftungen und 83 Verletzte. 2015 musste jemand von einer Klippe gerettet werden. Und dieses Mal „Glittergate“: Rache an Busengrabschern.
Das besagte Video zeigt die 20-jährige Amerikanerin aus Portland, die in Muriwai bei Auckland lebt, wie sie mit ihrer Freundin über das Festivalgelände flaniert. Kurz zuvor hat Madeline Anello-Kitzmiller sich an einem Stand für 50 Dollar „glittertits“ machen lassen, also eine Glitzerbemalung auf dem nackten Busen. Wer damit nackt die Wasserrutsche runtersauste, bekam einen Preis. Was bei Burning Man und in Glastonbury schon lange Trend ist, scheint etliche Kiwis jedoch ins Steinzeitalter zu katapultieren.
Einer von ihnen, unterm orangefarbenen Sonnenhütchen und sicher gut angeschickert, läuft hinter den beiden jungen Frauen her und fasst der Halbnackten kurz an die dekorierte Brust. Sie dreht sich um – erbost, erschrocken. Die Frauen verfolgen den Grapscher, der sich wieder hinsetzt, die Kamera hält alles fest. Anello-Kitzmiller klatscht dem Mann ein paar Mal mit der Hand ins Gesicht. Ihre Freundin schüttet ihm ihren Drink über den Kopf.
Kaum landete der Videobeweis des sexuellen Übergriffs samt der handfesten Blitzrevanche im Internet, kam es zur unterirdischsten Diskussion, die Neuseeland seit der Reform des Kinderprügelparagrafen vor über einem Jahrzehnt gehört hat. Im Talk-Back-Radio oder in etlichen Kommentaren auf Social Media hieß es: Wer so mit seinen Reizen provoziere, solle sich nicht wundern, wenn jemand zupackt.
Die mutige Glitzerbusenträgerin schlug wieder zurück. In einer siebenminütigen Videobotschaft spricht sie Klartext darüber, was das Recht auf den eigenen Körper und seine Unantatschbarkeit angeht. Klug und ohne Wut. Die Amerikanerin hat offenbar einen Kulturschock erlitten: Bereits am Tag davor hatte jemand sie angefasst, als sie noch komplett angezogen war.
Solch sexistischen Attacken und Reaktionen waren ihr bisher fremd. Denn die kamen nicht nur von Männern. Auch Frauen zogen über nackte Festivalbusen her. Keine von ihnen griff jedoch den Männern zwischen die Beine, die sich „glitterballs“ machen ließen: Für 20 Dollar gab’s bei Rhythm & Vines auch Hodenverzierungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken