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Die WahrheitDer Verräter

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Auch als Neuseeländer des Jahres fällt es einem nicht leicht, stolz auf das Land zu sein – wie der Regisseur Taika Waititi beweist.

D ieses Jahr war ich drei Monate außer Landes, und was hat es mir gebracht? Vor allem das heimelige Wohlgefühl, nach dem Sabbatical wieder in mein kleines, feines, heiles Land zurückkehren zu dürfen. Wenn man hier lebt, kommt es einem ja nicht immer so paradiesisch vor. Aber wochenlanges Reisen in Indien und U-Bahn-Fahren in Berlin haben mich bekehrt. Zumal eine neue Regierung am Ruder war, als ich wiederkehrte: Jacinda Ardern, die jüngste Premierministerin der Welt. Nebenbei DJ und Feministin.

Bei so viel Frauenpower ist man plötzlich doch fast ein bisschen stolz darauf, Kiwi zu sein. Komisch, dass sich das so viel leichter sagt, als stolz auf irgendwas Deutsches zu sein. Einem anderen Migranten geht es mit dem Herkunftsdilemma ähnlich, nur andersrum: Filmemacher Taika Waititi, der noch cooler als Jacinda Ardern und die Sängerinnen Aldous Harding und Lorde zusammen ist. 2003 wurde er für seinen Kurzfilm „Two Cars, One Night“ für einen Oscar nominiert. Und mit dem Maori-Film „Boy“ brachte er „egg“ (Ei) als Beleidigung in den Sprachgebrauch zurück.

Waititi hat diesen Herbst mit „Thor: Ragnarok“ Hollywood erobert und war „Neuseeländer des Jahres 2017“ – wahrscheinlich auch deshalb, weil er ein paar Insider-Witze in „Thor“ eingebaut hat, die man nur im südlichen Ozeanien versteht. Waititi spielt einen außerirdischen Superhelden namens Korg – mit starkem Kiwi-Akzent. Keinen besseren Botschafter in Hollywood könnte man sich also für unseren meist schnöde ignorierten Kulturraum wünschen. Doch an meiner zweiten Heimat und seiner ersten hat der Star-Regisseur einiges zu meckern.

„Ich bin nicht sehr stolz darauf, dass ich aus einem Land komme, von dem im Ausland alle denken, dass es rein, sauber und grün ist, aber in Wirklichkeit sind unsere Seen und Gewässer Gift. Wir müssen noch viel über Umweltschutz lernen“, sagte Waititi in einer Fernsehsendung. Im Lake Taupo, unserem größten Gewässer, kann man wegen Algenpest zurzeit nicht mehr schwimmen. Nachhilfe bräuchte Neuseeland auch auf anderen Sektoren: „Depressionsrate, Selbstmordrate, Teenager-Selbstmordrate, Kinderarmut und die Immobilienkrise. Bevor man nur ans Geld denkt, sollte man erst mal einige dieser Probleme lösen.“

Die Retourkutsche war die gleiche wie vor fast drei Jahren, als die neuseeländische Schriftstellerin Eleanor Catton den Booker-Preis gewann und es wagte, kritische Worte über die damals noch konservative Regierung zu verlieren. Auch diesmal fiel das Wort „Verräter“. Waititi habe „Neuseeland den Geiern zum Fraß vorgeworfen.“ Probleme gebe es schließlich überall. Wie könne man bitte „Neuseeländer des Jahres“ sein, ohne stolz auf sein Land zu sein?

Darauf hatte Taika Waititi eine Antwort. „Es tut mir leid, NZ!“, twitterte er. „Ich habe in der Eile nicht richtig nachgedacht. Ich habe vergessen, auch häusliche Gewalt, Sexismus, Homophobie und Rassismus zu erwähnen. Mein Fehler!“

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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