piwik no script img

Die WahrheitTaxi zum Schafott

Kolumne
von Ralf Sotscheck

Dublins Taxifahrer sind Gangster – zumindest haben nicht wenige eine kriminelle Vergangenheit und dementsprechend einen rauen Ton am Leib.

T axifahrer leben in vielen Städten gefährlich, bisweilen werden sie ausgeraubt oder sogar ermordet. In Dublin ist es eher umgekehrt. Dort werden die Kunden mitunter beleidigt oder sogar mit Mord bedroht.

Weit über die Hälfte der 928 Beschwerden, die bei der Dubliner Transportbehörde im vorigen Jahr eingegangen sind, betrafen das Benehmen von Taxifahrern. Viele Kunden hatten Angst vor den Fahrern. Die Furcht ist nicht unbegründet. Als unsere Nichte neulich an einem Taxibüro in der Innenstadt vorbeilief und durch das Schaufenster schaute, meinte sie lapidar: „Dort sitzen hundert Jahre Knast.“ Sie muss es wissen: Sie ist Gefängniswärterin.

Für Gangster ist der Job eines Taxifahrers ideal, leichter kann man Geld kaum waschen. Nur an den Umgangsformen müssen sie noch feilen. Ein Hotel-angestellter beklagte sich, dass sein Taxifahrer mehrmals „Fuck off“ gebrüllt und ihm gedroht habe, er werde ihn „Montagabend aufsuchen, wenn er alleine“ sei. Die Transportbehörde schrieb dem Fahrer einen Brief, in dem sie ihn an seine „Pflichten als Taxifahrer“ erinnerte.

Ein anderer Fahrgast beschwerte sich, dass er sich wie in einem Kühlschrank gefühlt habe. Darüber hinaus seien die Sitze nass gewesen, weil ein Teil des Rückfensters gefehlt habe. Die Transportbehörde ließ das Fahrzeug aufgrund der Beschwerde untersuchen. Das Ergebnis: „Das Taxi befand sich in tadellosem Zustand.“ Nur in zwei Prozent aller Beschwerdefälle musste der Fahrer eine Strafe zahlen. Offenbar haben die Beamten ebenfalls Angst vor den Fahrern.

Ein Drittel aller Beschwerden betraf den Fahrpreis. Die Dunkelziffer ist hoch, denn nicht alle beschweren sich, das weiß ich aus Erfahrung. Einmal nahmen die Gattin und ich ein Taxi zum Flughafen, weil wir spät dran waren. Mit dem Fahrer hatten wir einen Preis von 20 Euro vereinbart. Am Airport angekommen, verlangte der Fahrer 25 Euro. Ich wollte gerade einen Streit vom Zaun brechen, als die Gattin mit einer Kopfbewegung auf die Taxifahrerlizenz deutete, die am Armaturenbrett befestigt war. „Eddie Hutch“ stand drauf, und ich legte auf die 25 Euro noch ein großzügiges Trinkgeld drauf.

Hutchs Bruder Gerry ist Chef eines der größten Drogenkartelle Europas. Sein Spitzname ist „der Mönch“. Vor ein paar Monaten legten seine Leute im Dubliner Flughafenhotel einen Mann um, der dem konkurrierenden Kartell von Christy Kinahan angehörte. Das ärgerte den, und so eskalierte der Krieg zwischen zwei der gewalttätigsten Drogenbanden Europas. Dieser Krieg wird in Dublin ausgetragen, ihm sind bisher mehr als 20 Menschen zum Opfer gefallen.

Einen Monat nach unserer überteuerten Taxifahrt zum Flughafen wurde auch unser Fahrer Eddie Hutch erschossen. Und schließlich hatten wir nach dem vorerst letzten Mord an Gareth Hutch, dem Mönchsneffen, die Polizei im Haus. Ob wir etwas gesehen hätten, wollten die Beamten wissen: Das Fluchtfahrzeug war in unserer Straße abgefackelt worden. Wie viele Hutchs noch übrig sind, verriet uns die Polizei nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!