Die Wahrheit: Eine Lanze für … Akif Pirinçci
Der irre Ex-Schriftsteller wird hierzulande wohl kein Bein mehr auf den Boden bekommen. Wohin kann er dann bloß gehen?
J ahrelang habe ich die Junge Welt mit der Jungen Freiheit verwechselt, aber wie’s so ist mit Abonnements – sobald die einen erst mal bei den Eiern haben, kündigt man nicht mehr so mir nichts, dir nichts. Auch wäre es geistig nicht erfrischend, in der Zeitung immer nur das grünlinksversiffte Gutzeug zu lesen, das ich mir sowieso dauernd denke. Die Junge Freiheit jedenfalls hat Akif Pirinçci angerufen und gefragt: „Mensch, Akif, dumm gelaufen. Wie steckst du’s weg? Alles fit im Schritt?“
Und dann sagt Akif Pirinçci, nee, überhaupt nicht fit, er mache jetzt den Heinrich Heine. Verkaufe sein Haus, locke seine Katzen in die Transportbox und setze sich ins Ausland ab, wo er sich vermutlich ein neues Haus kaufen und seine Katzen wieder frei rumlaufen lassen könne, ohne dass sie auf der Straße gleich als „Faschistenkatzen“ bepöbelt würden. Wohin es gehen soll, sei noch geheim. Pacific Palisades, wie Thomas Mann und Bertolt Brecht? Dschidda, wie Idi Amin? Sankt Helena im Atlantik? Oder gleich weiter ins antarktische Neuschwabenland? Die Junge Freiheit wird mich hoffentlich auf dem Laufenden halten.
Ich bedauere, dass diesem Mann die Grundlage seiner Existenz entzogen, dass er ins Exil getrieben wurde. Dergleichen regelt übrigens keine geheime Weltregierung, sondern der Markt, und der hat bekanntlich schon ganz andere Sachen (FDP) geregelt. Dabei verachte ich zumindest sein Frühwerk, also Pussy-Pulp wie „Felidae“. Die reptiloide Kaltblütigkeit von Katzen ist mir zuwider, geringer schätze ich nur Kriminalromane. Beides zu bündeln, das ist für mich Grund genug für eine sofortige Deportation auf die Teufelsinsel. Auch sein Spätwerk zeigte hier und da Schwächen, aber wessen Spätwerk tut das nicht? Ist Van Morrison mit den Jahren immer besser geworden? Houdini? Selbst Rudolf Nurejew wurde am Ende hüftsteif.
Nicht so Akif Pirinçci. Renommee und Reichtum hätte er auf der Zielgeraden still und leise mit Kokain und Prostituierten rumbringen können. Stattdessen gab er als Meinungsritter von der traurigen Gestalt selbst dann noch seinem Esel die Sporen, als sein Hals längst in der Schlinge steckte. Dabei interessiere ich mich für seine Ansichten so wenig, dass ich heute noch genau weiß, wie sein Name korrekt ausgesprochen wird. Immerhin war er auch der bekloppten Ansicht, es könnte angebracht sein, bei einer gleich doppelt bekloppten Kundgebung, auf der jede Hälfte des Publikums aus komplett entgegengesetzten Gründen genau darauf brennt, die Buchstaben K und Z auch nur in den Mund zu nehmen.
Allein deshalb werde ich ihn vermissen, wenn er bald mit einem Cocktail in der Hand auf ein Weltmeer seiner Wahl hinausblickt. Nicht weil ich ihn mag. Sondern weil er vollkommen irre ist, und wir für eine gewisse Sorte von Irrsinnigen versuchsweise ein ähnlich liebevolles Gefühl hegen sollten wie beispielsweise für den Nacktmull. Nicht obwohl er hässlich ist, sondern weil er hässlich ist und es sein darf und wir das gefälligst aushalten müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken