Die Wahrheit: Der Schupp als Schuft
Die Demaskierung der Waschbären.
Berlin versucht gerade, sich unauffällig seiner ungeliebten Stadtbären Maxi und Schnute zu entledigen, und möchte sie nach Brandenburg abschieben. Die unerbittliche Hauptstadtpresse fordert bei der Gelegenheit, gleich noch einen Schritt weiter zu gehen und den Waschbären zum neuen Wappentier zu ernennen. So schrieb die taz: „Zeit für einen Wappenwechsel.“
Das klingt logisch, denn mittlerweile leben über 1.000 Waschbären in Berlin. Doch wir sollten den neuen Wappentieranwärter einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen, ehe wir uns einen Problembären aufbinden. Tierkundler Alfred Edmund Brehm ist noch voll des Lobes: „Der Waschbär ist ein munterer, schmucker Bursche, er ist heiter, neugierig und zu lustigen Streichen aller Art geneigt, aber auch mutig und listig wie ein Fuchs.“ Sogar die Paarung verläuft laut Brehm heiter „unter fortwährendem Gekecker des Weibchens“.
Weniger gut kommt unser Kleinbär im Jahr 1900 im „Buch der Tierwelt“ davon: Beckmann lässt dort in seiner Beschreibung erste Kritik am Wesen des Waschbären oder „Schupp“ durchschimmern. „Zu den hervorstechendsten Eigenschaften des Schupp zählt seine grenzenlose Neugier und Habsucht, sein Eigensinn und sein Hang zum Durchstöbern aller Ecken und Winkel.“ Habsucht und Eigensinn? Unschön.
Weiter heißt es bei Beckmann: „Sobald er die Unmöglichkeit einsieht, seine Zwecke zu erreichen, macht die brennende Neugierde einer stumpfen Gleichgültigkeit Platz.“ Auch von trüber Verdrossenheit ist bei Beckmann zu lesen. Das wiederum würde den Schupp zum Berliner Wappenbären empfehlen.
Doch Vorsicht ist geboten bei den alten Quellen, denn der amerikanische Kleinbär oder „Racoon“ hielt erst 1934 in Mitteleuropa Einzug, als vier Waschbären am Edersee in Hessen mit Blasmusik und Pomp ausgesetzt wurden. Das Bild des possierlichen Kleinbären hat sich seitdem deutlich verändert. Und nicht zu seinem Besten!
„Kleine Räuber auf dem Beutezug durch Berlin“, titelte die Berliner Morgenpost, und „Spick mich“ berichtet Bedenkliches unter der Überschrift „Pelzige Plage – die Waschbären kommen“: „So fand eine Familie nach dem Urlaub ihr Haus total verwüstet vor und einen Waschbären auf dem Sofa wieder.“ Eingedrungen war dieser durch den Kamin.
Den Gipfel des Waschbär-Schreckens sollte jedoch die Welt erklimmen: „Der Terror-Waschbär von Bellevue“ klettert in die Mülltonnen der Anwohner, „Ruckeln, Schütteln, nichts hilft“! (Schauder). Die Sächsische Zeitung resigniert sogar schon vor einer kommenden Kleinbäreninvasion: „Experten halten eine Ausbreitung der Waschbären für nicht mehr aufhaltbar.“
Und sehen wir uns den unaufhaltbaren Problembären doch einmal etwas genauer an: Über den stechenden gelben Augen trägt die ganze Bande eine Gesichtsmaske, die ihr wahres Gesicht verdeckt und jedes Einzeltier auf seinen nächtlichen Raubzügen vor Identifizierung schützt. So etwas kennen wir ja von den Panzerknackern, aber würde jemals eine Stadt die Hundesöhne (Beagle Boys) zu ihren Wappentieren machen?
Wir sollten dem Waschbären ohne falsche Sentimentalität begegnen. Da ist der Brandenburger anders. Der stellt trocken fest: „In Brandenburg ist kaum ein Hühnerstall vor dem pelzigen Räuber sicher“, so der Geschäftsführer des Brandenburgischen Landesjagdverbandes in der Berliner Morgenpost. Und dem lässt der Brandenburger Taten folgen. So wurden im vergangenen Jahr 15.000 der maskierten Hühnermörder geschossen.
Diese unsentimentale Einstellung wurde früher in Amerika durch einen wichtigen Gesichtspunkt ergänzt. Schon 1900 berichtet Balduin Möllhausen: „Das zarte Fleisch, besonders aber das wohlschmeckende Fett dieser Tiere veranlasste uns, mit allem Eifer denselben nachzustellen.“
Was Berlin wirklich gebrauchen kann, ist kein neues Wappentier, sondern eine neue kulinarische Kreativität. Wie wär’s denn mal mit Waschbär-Döner?, fragt:
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