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Die WahrheitDer homosexuelle Mann ...

Kolumne
von Elmar Kraushaar

... hat offenbar noch immer Probleme mit Selbstironie, wenn man die Anfeindungen gegen den Regisseur Marco Kreuzpaintner betrachtet.

bleibt homosexuell bis ans Ende seiner Tage. Männerliebend, schwanzfixiert und analaffin – ohne Wenn und Aber. Von Geburt an. Das ist die herrschende Homo-Doktrin. Da will man doch der Natur nicht ins Handwerk pfuschen. Jede Abweichung von der reinen Lehre wird geächtet, mit Verachtung, Spott und dem Ausschluss aus der Gemeinschaft der Eigenen.

Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle über einen Mann geschrieben, der in jungen Jahren schwulenbewegter Aktivist war, sich später in eine Frau verliebte und mit ihr und den gemeinsamen Kindern jetzt ein erfülltes Leben führt. Na, da ging aber die Post ab! Ich wurde abgestraft wie nie zuvor und nie mehr danach für eine Kolumne. Dabei hatte ich lediglich eine schöne, individuelle Geschichte erzählt und stand plötzlich am Pranger als Propagandist von „Wüstenstrom“ oder all den anderen fundamentalistischen Bekloppten, die davon überzeugt sind, man müsse Homosexuelle „heilen“ von einem „tieferliegenden Konflikt“.

Mit derlei Debatten, in ganz anderem Ausmaß, muss der aus Bayern stammende Regisseur Marco Kreuzpaintner rechnen, wenn Anfang Oktober seine Komödie „Coming In“ in die Kinos kommt. Mit einem schwulen Szene-Friseur im Mittelpunkt, der sich in eine Neuköllner Kollegin verliebt. Kaum war der Trailer auf dem Markt, ging die Schelte schon los: „klischeebeladener Schwachsinn“, „echt megascheiße“, „eine verheerende und zutiefst reaktionäre Botschaft“, so klangen die ersten Kommentare auf queer.de.

Kreuzpaintner weiß, was auf ihn zukommt, und hat sich im Interview mit Sissy, dem „Magazin für den nicht-heterosexuellen Film“ schon mal vorsorglich gegen die kommenden Entrüstungsstürme in Stellung gebracht. „Die schwule Szene kann inzwischen“, hofft er, „auch über sich selbst lachen … Wir sind an dem Punkt, an dem man die Frage stellen kann, wie weit es mit der Toleranz gegenüber jemandem bestellt ist, der innerhalb dieses Raums glaubt, sich gefunden zu haben, sich aber noch mal ganz neu auf die Suche begibt, in erotischer Hinsicht.“

Nur zu gut versteht der schwule Regisseur all jene, die sich durch einen solchen Film provoziert fühlen: „Viele Menschen haben dafür, einfach schwul sein zu können, hart gearbeitet, lange gekämpft und sind von Heteros deswegen oft schlecht behandelt worden. Die Identität ist ja auch eine Errungenschaft. Das gibt man nicht so einfach aus der Hand.“

Schaut man sich jetzt schon die Welle der Beschimpfungen an, obwohl kaum einer den Film bisher gesehen hat, wird Kreuzpaintner beim homosexuellen Publikum keine Chance gewährt. „Jedes Kino“, schreibt Danny89, „das diesen Film zeigt, beteiligt sich im Grunde an Umpolungs- und Auslöschungspropaganda gegen Schwule, sendet aber mindestens ein lebensgefährliches Signal an schwule Jugendliche und muss boykottiert werden!“ Der Filmemacher aber bleibt dabei: „Meiner Meinung nach sind wir in Deutschland so weit, auch selbstreflektiert und mit Selbstironie auf uns als Community gucken zu können.“

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8 Kommentare

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  • Schwuler Friseur entdeckt, dass er auch auf Frauen steht. Gott, was haben wir gelacht....

    Werter Elmar Kraushaar: Ich glaube nicht, dass der homosexuelle Mann Probleme mit Selbstironie hat, nur hat der homosexuelle Mann Probleme mit vermeintlich lustigen, filmischen Umpolungsfantasien, die nur eine Botschaft haben: Schwulsein ist nur eine Einstellungssache. Mann muss nur die Richtige finden, und schon ist mann entzaubert und geheilt. In einer Zeit, in der Schwule in einigen islamischen Ländern aufgehangen und ausgepeitscht werden und auch in europäischen Ländern weiterhin diskriminiert werden oder sich nicht trauen, sich als zu outen und ein Doppelleben führen, (z.B. deutsche Profi-Sportler), finde ich derartige Filmfantasien so unnötig wie einen Kropf.

  • Ach ja, dieses Geschäftetreiben mit Umpolungsfantasien wird übrigens - und das verschweigt der Autor gezielt (warum eigentlich?) - extrem üppig mit öffentlichen Geldern gefördert. Während für die Sichtbarmachung junger Schwuler oftmals schon ein paar Tausend Euro Fördergelder "zuviel" für den bürgerlichen Staat sind.

     

    Im Detail:

     

    Medienboard Berlin-Brandenburg (mbb): 500.000 EUR

     

    Filmförderungsanstalt (FFA): 400.000 EUR

     

    Deutscher Filmförderfonds (dfff): 863.200 EUR

     

    Summe: 1.763.200 EUR

     

    Da brauchen die "Apis", "Wüstenstrom" und andere "Homo-Umpoler" keinen eigenen Werbeetat mehr. Der Unrechtsstaat BRD, der bis heute null Euro an schwule Opfer seiner Vernichtungsfantasien und staatlicher Verfolgung gezahlt hat, teilt bei solchen Projekten anscheinend gern üppig aus.

     

    Es ist bezeichnend, dass diese Tatsachen dem Autor, mit Genehmigung der taz, nicht einmal einen Nebensatz wert sind.

  • @Anamolie: Ja, was bewegt solche Leute? Doch nicht etwa möglichst system- und normkonformes Geschäftetreiben?

    • @Sebastian F:

      um den Preis des Verrats an seinen schwulen Zeitgenossen- moechte ich garnicht wahr haben

  • Ich frage mich, was den Regisseur dazu bewegte, diesen Film zu machen. Provokation ? In welche Richtung ? In die der Missions- Heteros (Wenn, dann brauchen wir euch nicht zum wechseln) ? - ist bloß Oel ins Feuer.

    In Richtung Homos ? Gibt es aus Sicht des Filmemachers ein homosex. Dogma, eine Verkrampfung, verursacht durch den nicht enden wollenden Kampf gegen Diskriminierung, dass eine ironische Lockerung nötig wäre ?.

    Naja, müsste ich mir erstmal angucken, dann ein Urteil bilden.

  • Ich weiß ja nicht, in was für einer Gesellschaft der Autor des Artikels lebt ("wir in Deutschland so weit...blabla“). Aber in der BRD sieht es aktuell so aus, dass schon Kinder und Jugendliche mit einer noch nie dagewesenen heterosexistischen Bilderflut in den Massenmedien und im Alltag überschüttet werden, in deren Rahmen ihnen rund um die Uhr auf allen Kanälen und auf allen Plätzen heteronormative, sexistische Rollenzuweisungen eingetrichtert werden und wo schwule Identifikationsfiguren, insbesondere schwule Jugendliche und junge schwule Männer, in keiner Weise auch nur ansatzweise gleichberechtigt sichtbar sind - eigentlich gar nicht.

     

    Auch das Kino bzw. die Filmindustrie des Jahres 2014 besteht im Wesentlichen aus einer Flut von heteronormativen Inszenierungen, mit der die immergleiche, gesellschaftlich produzierte und konstruierte Geschlechterdichotomie Mann/Frau (*natürlich* heterosexuell!) ebenso penetrant reproduziert und in die Köpfe gehämmert wird wie das Konstrukt der angeblich natürlichen "Hetero-Norm".

     

    Die herrschenden Geschäftsmodelle bedienen sich (schon wieder) mit einer derart dreist-frechen Selbstverständlichkeit längst überwunden geglaubter (Hetero-) Sexismen, weil sie merken, dass sie angesichts des derzeit überall übermächtigen Opportunismus, gerade in Zeiten der ökonomischen Dauerkrise(n), anscheinend keinerlei Widerstand, schon gar nicht von den in "Leitmedien" Ton angebenden bürgerlichen Milieus, denen es um ihre eigenen sozialen Privilegien und "Karrierechancen" in diesem gesellschaftlichen Umfeld geht, zu erwarten haben.

     

    DAS ist also der gesellschaftliche Hintergrund, vor dem dann der erste Schwule, der ausnahmsweise mal (alle paar Jubeljahre) in einem Kinofilm vorkommen darf, gleich wieder breitenwirksam ins Reich der ach so unwiderstehlichen Hetero-"Erotik" und -sexualität zurückgeführt werden muss. Natürlich total spaßig und "selbstironisch", ist ja klar.

    Für alle noch Denkenden: Einfach zum Ko***!

  • Selbstironie ist hier denke ich gar nicht so das Problem.

     

    Es geht wohl vielmehr darum, welches Bild an Nicht-Homosexuelle vermittelt wird - und, mindestens ebenso wichtig, welches Bild an junge Schwule vermittelt wird, die gerade erst entdecken, dass sie aufs gleiche Geschlecht stehen. Leicht könnten beide Gruppen womöglich fälschlicherweise denken: "Was, Schwule brauchen also doch nur die richtige Frau finden? Schwul zu sein bedeutet gar nicht zwangsläufig, mit einem Mann eine Beziehung einzugehen?"

     

    Ich habe den Film nicht gesehen und weiß nicht, inwiefern das alles als Bisexualität dargestellt wird; in diesem Fall wäre es dann ja klar, dass man sich eben in Männer und Frauen verliebt/verlieben kann.

     

    Sofern es im Film aber als Homosexualität und nicht als Bisexualität dargestellt wird, reagieren unzureichend informierte Zuschauer (in Zeiten von Bildungsplan-Protesten leider wohl nicht gerade wenige) womöglich so wie oben angegeben, was nicht gerade förderlich für den Toleranz-/Akzeptanzgedanken ist. Dass man dies nicht lustig findet, ist meiner Meinung nach mehr als nachvollziehbar.

    • @Reviewer:

      Danke!