Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...
... in Berlin muss sich an einen neuen Regierenden Bürgermeister gewöhnen, einen Nichtschwulen, der aber für einhundertprozentige Gleichstellung ist.
in Berlin hat seinen Meister verloren, seinen Regiermeister. Der Alte, liebevoll „Klausi-Mausi“ oder „Kläuschen“ genannt, hat in den dreizehn Jahre seiner Regentschaft der Stadt einen glamourösen Anstrich gegeben, für die schwule Szeneprominenz den roten Teppich freigeschaufelt und vielen Homoprojekten die gebührende Aufmerksamkeit verschafft. Das sind große Fußstapfen für seinen Nachfolger, homotechnisch betrachtet. Die Sozialdemokraten boten gleich drei Kandidaten auf, und der solideste unter ihnen ist es nun geworden. Michael Müller heißt der Mann, ein waschechter Berliner – mit dem Charme eines Aktendeckels.
Dabei hat sich Müller, so wie seine Kontrahenten Raed Saleh und Jan Stöß, die größte Mühe gegeben, auch in der schwul-lesbischen Gemeinde vorab schon Sympathien zu sammeln. Auf M-Maenner.de, dem Internetportal des Schwulenmagazins Männer, stellte er sich den einschlägigen Fragen und positionierte sich aufseiten der Homos: einhundertprozentige Gleichstellung: na klar; wieder einen statt zwei CSDs: unbedingt; Geld für schwul-lesbische Projekte: jede Menge. „Dafür zu sorgen, dass wir ein offenes und buntes Berlin bleiben, das ist unsere Verantwortung und Aufgabe.“
Aber auch Raed Saleh, SPD-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, ließ sich nicht lumpen und punktete mit seiner Herkunft: „Ich weiß, wie es ist, einer gesellschaftlichen Minderheit anzugehören“, sagte der Politiker mit palästinensischen Wurzeln. Er forderte: „Keinen Respekt für Respektlose“, kennt sich aus in der Szene und war erwartungsgemäß auch für die einhundertprozentige Gleichstellung. Für seine Szene-Glaubwürdigkeit hatte er sich Nina Queer an die Seite geholt, eine in der Hauptstadt bekannte Damendarstellerin, die eigens für Saleh in die SPD eingetreten war.
Am liebsten aber hätten die schwulen Wähler wohl Jan Stöß an der Spitze gesehen, schließlich sieht der Landeschef der SPD nicht nur aus wie viele von ihnen, nein, er ist auch so einer, schwul nämlich, ohne Geheimnistuerei.
„Muss es denn schon wieder ein Schwuler sein?“, diese Frage kannte Stöß selbstverständlich auch und blieb doch optimistisch: „Das Großartige an Berlin ist, dass das hier keine Rolle mehr spielt, wen man liebt.“ So erklärte auch er die Homoprojekte zu seiner „Herzensangelegenheit“, in der Einhundert-Prozent-Frage gab es auch von ihm ein klares Ja, und No-go-Areas für Frauen- oder Männer-Paare wollte er in einer Hauptstadt unter seiner Führung auf keinen Fall dulden.
Ein Drucker aus Tempelhof, ein Migrant aus dem Westjordanland, ein Schwuler aus Hildesheim – da stand eine zeitgemäße Berliner Mischung zur Auswahl. Die SPD-Basis hat sich für den Erfahrensten entschieden, einen ohne irgendein Problemfeld im Hintergrund, kein Wagnis mehr, keine Experimente, einen, „bei dem alles anders bleibt“, wie der Tagesspiegel es formulierte. Die Lesben und Schwulen Berlins werden sich künftig mit einem arrangieren müssen, der es gut mit ihnen meint, ohne sie je zu verstehen.
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