piwik no script img

Die WM aus österreichischer PerspektiveIn und aus der Ballsaison

Deutschland erlebt bei der Frauenfußball-WM ein Déjà-vu. Aber die Ösis sind gar nicht dabei. Was das mit der Stimmung macht.

Oh, auch die USA sind schon raus Foto: ap/dpa

D eutschland erlebt ein Déjà-vu. Aus gegen­ Südkorea. Und Österreich? War bei der WM erst gar nicht dabei. Was aus mehreren Gründen schade ist: Das Prestigeduell – in Wien werden immer noch Bilder der Córdoba-Wundermannschaft von 1978 mit einem gewissen Stolz herumgereicht – konnte nicht stattfinden; und der österreichische Frauenfußball, der objektiv nicht schlechter ist als sagen wir der schweizerische, kommt öffentlich nicht von der Stelle.

Und, natürlich, die Begeisterung für die WM der Frauen ist in Wien mehr als überschaubar. Public Viewing? Gab es nicht mal bei den Männern. Sonderseiten in den Zeitungen? Geh, bitte, bist deppert. ORF-Liveübertragung? Ja, schon, aber vom ÖFB lässt sich niemand dort blicken. Schon gar nicht Irene Fuhrmann, Teamchefin und ihres Zeichens die Tochter der Kindergärtnerin eines Freundes, der in der gleichen Fußball-guck-Whatsapp-Gruppe ist wie ich.

Und die ist sozusagen auf stumm gestellt gerade. „Jetzt, wo die Deutschen und die Brasilianerinnen ausgeschieden sind, macht das keinen Spaß mehr“, ist der allgemeine Tenor, „abgesehen von der nur für arbeitslose Europäer nicht unglücklichen Übertragungszeit natürlich“. Richtig, ich erinnere mich: Als ich noch nicht für die Medien gearbeitet habe, sondern von 9 bis 5 für ein Vermessungsbüro, habe ich auch einmal ein deutsches WM-Halbfinale – wie irre! auch gegen Südkorea! – verpasst. Na ja, lange her. Und hier und heute heißt es: Keine Party am Vormittag; wenn frei, dann lieber Freibad; und sonntags geht es traditionell in die Kirche (hab noch nicht herausgefunden, wie ernst gemeint dieser Grund ist).

Bei der Männer-WM war nach dem deutschen Aus die klassische Erzählung Messi oder Ronaldo das Leitmotiv, die WM weiterzuverfolgen. Irgendwann war es nur noch Messi gegen den Rest der Welt. Was kann es diesmal sein? Argentinien und Portugal sind ebenfalls rausgeflogen, im Gegensatz zu Deutschland und Brasilien stellte das aber keine Überraschung dar. Das einzige Leitmotiv, das sich noch anbietet: Hoffentlich scheiden die USA aus. Nicht (nur) aus zwanghaftem Antiamerikanismus, sondern weil die USA im Frauenfußball so was wie der internationale FC Bayern sind. Sollen doch mal andere gewinnen! Vielleicht ja sogar Kolumbien!

Kommst du mit in den Altach?

In Österreich hat unterdessen der ganz normale Bundesliga-Altach wieder begonnen. Selbst ich war schon wieder bei Rapid (4:0 gegen ebenjenes Rheindorf Altach aus Vorarlberg). Down under in Kärnten haben sie sowieso gerade andere Probleme – die ersten Spielabsagen gab es wegen des Wassers auch schon. Hallo, Klimawandel!

Und im nächsten Sommer ist ja wieder EM. Die der Männer. Im nahen Deutschland! Und Österreich könnte Stand jetzt dabei sein! Das wird ein Ereignis! Darauf freut sich ganz Wien, um endlich einmal mit Falco zu schließen. „Überhaupt in der Ballsaison / Man sieht ganz Wien / Ist so herrlich hin, hin, hin.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.