Die Unterwerfung des Gefangenen: KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER
Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) zeigt sich irritiert. Grund für diese Irritation ist das Grußwort, das der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar aus dem Gefängnis im Januar an den Kongress der Rosa-Luxemburg-Gesellschaft in Berlin gerichtet hatte. Goll, Dienstherr des Knasts, der über Hafterleichterungen für Klar zu entscheiden hat, glaubt, das vorliegende, positive Gutachten sei keine ausreichende Entscheidungsgrundlage mehr. Ein zweites muss her, das die „fortwährende Gefährlichkeit“ Klars anhand seiner antiimperialistischen Überzeugungen prüft.
Ulrich Goll ist Jurist und Mitglied einer sich liberal nennenden, angeblich dem Schutz der Grundrechte besonders verpflichteten Partei. Dies hindert ihn keineswegs daran, Meinungsäußerungen eines Strafgefangenen zu gesellschaftlichen Problemen als Indiz dafür zu nehmen, dass der auch künftig Straftaten begehen wird.
Was hier abläuft, ist der Versuch des Justizministers, mittels einer grob rechtsstaatswidrigen, frontal gegen die Meinungsfreiheit gerichteten Aktion der laufenden rechtskonservativen Kampagne gegen Gnadenerweise und Hafterlasse ehemaliger RAF-Mitglieder Schützenhilfe zu leisten.
Kein Mensch, der noch seine fünf Sinne beisammenhat, wird auf die Idee kommen, Klar sei nach seiner Entlassung auf neue terroristische Aktionen aus. Gegen eine solche Annahme spricht schon das Verhalten aller ehemaligen RAF-Terroristen nach ihrer Entlassung. Auch Goll glaubt nicht an eine fortbestehende Gefährlichkeit Klars, sonst hätte er längst Einwände gegen das positive Gutachten vorgebracht. Wie seinem Parteichef Westerwelle geht es ihm um Gesinnung – um die öffentliche Unterwerfung Klars unter die triumphierende Staatsmacht, das heißt unter den politischen wie ökonomischen Status quo.
Was ist das für eine Art Liberalismus, der mit Guido Westerwelle Hafterleichterungen von der positiven Haltung des Gefangenen zur „Grundordnung“ der Bundesrepublik abhängig macht und kapitalismuskritische Positionen mit dieser „Grundordnung“ für unvereinbar hält? Und worin unterscheidet sich dieser „Liberalismus“ noch von Becksteins und Stoibers Positionen?
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