Die Ukraine als mögliche Blaupause: Als Nächstes Taiwan?
China könnte aus Russlands Ukraine-Invasion ableiten, welche Kosten ein Angriff Pekings auf Taiwan hätte. Dabei ist die Ausgangslage dort eine andere.
Schon weit vor Kriegsbeginn argumentierten internationale Experten, dass Russlands Angriff eine Blaupause für Chinas Volksbefreiungsarmee wäre. Zwar sind beide Konflikte unterschiedlich gelagert, doch kann Peking daraus einige Parallelen ableiten. Die entscheidende Lehre: Wie hoch wäre der Preis für eine Invasion Taiwans? Die Antwort hängt auch davon ab, wie konsequent sich der Westen jetzt gegen Russland stellt.
De facto ist das diplomatisch isolierte Taiwan ein unabhängiger Staat und seit mehreren Jahrzehnten eine der lebhaftesten Demokratien Asiens. Doch Peking sieht die Insel als abtrünnige Provinz, die man zurück ins Mutterland integrieren muss.
Spätestens seit Xi Jinpings Amtsantritt lassen sich die „Wiedervereinigungs“-Slogans nicht mehr nur als patriotische Lippenbekenntnisse abtun. Es gibt wenig Zweifel daran, dass Xi es ernst meint mit seiner „Erneuerung des chinesischen Staats“. Die möchte der 68-Jährige möglichst noch zu seinen Amtszeiten verwirklicht wissen.
Bisher keine Anzeichen für Überraschungen aus Peking
Inwiefern also hat sich die Wahrscheinlichkeit einer Taiwan-Invasion durch den Ukrainekonflikt erhöht? Das Schreckensszenario, dass Chinas Volksbefreiungsarmee die Situation für einem Überraschungsangriff ausnützen könnte, hat sich bisher nicht bestätigt. Es scheint auch immer unwahrscheinlicher.
Denn die Angst vor einer globalen Eskalation ist unter Pekings Parteikadern riesig. Die Anspannung lag dort am Sonntag regelrecht in der Luft: Vor der russischen Botschaft waren Dutzende Polizeikräfte stationiert, darunter viele in Zivil. Offenbar hat die Regierung Angst, dass es zu spontanen Demos kommen könnte.
In Taipeh hingegen zeigte sich die Regierung nicht übertrieben besorgt. Präsidentin Tsai Ing-wen rief zwar zu erhöhter Alarmbereitschaft ihrer Truppen auf. Doch warnte sie vor allem vor psychologischer Kriegsführung aus Peking.
Die Bilder aus der Ukraine würde Chinas Propaganda für gezielte Desinformation und Panikmache ausnützen. Die Inselbewohner sollten angesichts des großen Nachbarn ein Gefühl der Ohnmacht verspüren.
Taiwan ist für die USA wichtiger als die Ukraine
Noch gehen die Taiwaner ihrem Alltag ungestört nach. Eine Umfrage eine Woche vor Russlands Angriff ergab, dass immerhin 63 Prozent der Taiwaner nicht glauben, dass China die Situation für einen Krieg ausnützen könnte.
Doch auch im Ernstfall könnten sie sich anders als die Ukraine auf deutlich stärkere Solidarität aus Washington verlassen. Denn zum einen ist Taiwan für die USA der neuntwichtigste Handelspartner, der allein schon aufgrund seiner führenden Halbleiterbranche unerlässlich ist. Bereits am Freitag hatte Taipeh angekündigt, seine Chipexporte nach Russland „streng zu überprüfen.“
Zum anderen hegen viele Politiker aus Taiwan seit Jahrzehnten enge Beziehungen zu den Eliten in Washington. Und dann ist auch die Lage der Insel direkt vor Chinas Küste – Stichwort „unsinkbarer Flugzeugträger“ – für die USA von großer strategischer Bedeutung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt