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Die USA unter TrumpModerner Faschismus des 21. Jahrhunderts

Barbara Junge
Kommentar von Barbara Junge

Trumps Kampfansage an Andersdenkende und seine Verachtung für die liberale Demokratie sprechen für sich. An der Spitze der USA steht ein Faschist.

Von Stolz auf ihren Hass und ihren Führer gefüllt, die Proud Boys Foto: Jim Urquhart/reuters

D a reckt Techmilliardär Elon Musk zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten seinen rechten Arm zum Gruß. Natürlich hat er es nicht so gemeint, sie meinen es ja nie so. Merkwürdig nur, dass neben den jubilierenden Neonazis selbst auch ein großer Teil der demokratischen Welt das Markenzeichen des deutschen Faschismus darin erkannt hat. Hat es Musk also wirklich so gemeint? Haben wir es in den USA mit Faschisten zu tun?

Donald Trump befiehlt am ersten Tag seiner Amtszeit, mehr als 1.550 Gefangene zu entlassen, darunter Anführer der rechtsextremen Proud Boys und Oath Keepers. Begnadigt wurden jene militanten Trump-Fans, die am 6. Januar 2021 mit einem Sturm aufs US-Kapitol die Präsidentschaft Joe Bidens verhindern wollten. Man könnte diese Ausschnitte aus dem neuen US-amerikanischen Horrorfilm in etwa so zusammenfassen: Wir sind wieder da – und wir haben gewonnen.

Der Debatte darüber, ob Musk der rechte Arm versehentlich steil nach oben ausgerutscht sein könnte, fehlt es an intellektueller Ernsthaftigkeit. Es ist nebensächlich, wie er es wirklich gemeint hat. Die Frage, ob wir es mit einer modernen Spielart des Faschismus zu tun haben, hat Trump faktisch selbst beantwortet.

Das Führerprinzip, die ebenso kulthafte wie gewaltbereite MAGA-Bewegung, Säuberung des Staats von politischen Gegnern, die Gleichsetzung von Widerspruch mit Verrat, Verachtung für die Regeln der liberalen Demokratie, eine weiße Herrenmenschenrasse an der Spitze – was bräuchte es mehr zur Klassifizierung? Wer mag, kann Umberto Ecos Liste von 14 Punkten durchgehen, an denen man einen Faschisten erkennt. Hinter fast jedem davon muss man ein Häkchen setzen.

Die Dinge beim Namen nennen

Und wer die Lage der Nation etwas demokratietheoretischer durchdeklinieren möchte: Die meisten Institutionen der Checks and Balances sind auf Linie gebracht. Die Exekutive ohnehin, mit beiden Kammern im Parlament auch die Legislative sowie mit dem Supreme Court die Judikative zumindest auf höchster Ebene. Und die Medien als watchdogs der Demokratie hat Trump von Anfang an zu zerschlagen versucht.

Faschismus meint nicht den millionenfach mordenden Nationalsozialismus. Es gab seit Mussolini verschiedene Formen des Faschismus. Und auch die Herrschaft, die Trump und Musk unter ganz anderen historischen und medialen Bedingungen etablieren wollen, wird ihre eigenen Charakteristika haben. Wie viel mentale Kraft ist seit 2016 dabei verloren gegangen, genau zu sezieren, welche ideologische Bezeichnung nun auf Trump und später auf Musk zutreffen könnte!

Ich würde sagen: Sie sind Faschisten des 21. Jahrhunderts. Und es ist gut, das aussprechen zu können. In gewisser Weise hat die Geste Elon Musks etwas Befreiendes. Solche Klärung ist eine immense intellektuelle (und für manche auch emotionale) Erleichterung, so schmerzhaft der Befund auch ist. Mit diesem Selbstouting sollte die quälende Selbstbefragung beendet sein, mit wem und was wir es zu tun haben – und worum es geht.

Es erlaubt einen unverstellten Blick auf das, was ist. Mit Trump ist das US-Großkapital ins Weiße Haus eingezogen. Ein Regime hat übernommen, das die Kräfte des globalisierten Kapitalismus von lästigen Spielregeln der liberalen Demokratie befreit, zulasten des Weltklimas und der Schwächeren. Wie Trump in Davos ganz ungeschminkt angekündigt hat, ist dieses Projekt global angelegt. Entsprechend eilfertig haben die CEOs großer Banken, Hightechkonzerne und Ölmultis den Ring geküsst.

Die Tatsachen gerade rücken

Das ökonomische Projekt wird begleitet von neoimperialen Ambitionen nach außen (Panama, Grönland) und Repression nach innen (Militär, Justiz). Der konservative US-Vordenker Robert Kagan umschreibt es außenpolitisch so: „Der Dschungel ist zurück.“ Wie treffend ist das für die USA selbst. Donald Trump führt die Raubtiere an, in deren Gefolge sich die Schakale sammeln.

Trump tritt als Anwalt der einfachen Leute auf, als bekämpfte er die Eliten. Die Linken müssen das wieder vom Kopf auf die Füße stellen

Seine Macht stützt sich auf eine historische Korrektur. Trump ist es gelungen, oben und unten in der Gesellschaft umzuetikettieren. Faschisten haben sich und ihresgleichen schon immer über andere erhoben, mit dem Kapital paktiert, das Militär aufgerüstet und Kritiker unterjocht. Es war schon immer eine Politik von oben, die sich auf ein Mandat von unten berufen kann.

Trump und sein Milliardärskabinett treten nun als Anwälte der einfachen Leute auf, als kämpften sie gegen die Eliten, die sich in linken Metropolen und an den Universitäten verschanzt hätten. Auch hier gibt es historische Parallelen. Den demokratischen Linken und der Zivilgesellschaft in den USA muss gelingen, das wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Sie müssen wieder die Verteidigerinnen der kleinen Tiere sein, deren Überleben im Dschungel unter den Raubtieren akut bedroht ist.

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Barbara Junge
Chefredakteurin
taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.
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15 Kommentare

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  • Ob das Etikett wirklich so wichtig ist? Man wird wenig damit gewinnen, immer wieder klarzustellen, dass Musk & Co. die Demokratie zerstören.

    Wichtiger wäre zu verstehen, warum so viele Menschen in den USA und andernorts, auch hierzulande, die liberale Demokratie nicht mehr wertschätzen, warum sie mit ihrer Zerstörung sogar einverstanden sind.

    Offensichtlich nehmen viele diese liberale Demokratie nicht mehr als Basis für ein gutes Leben wahr, für bezahlbare Mieten, sichere Jobs, eine funktionierende Bahn usw.

    Paradoxerweise könnte man in eben so einer liberalen Demokratie mit Wahlen etwas daran ändern.

  • Liebe Barbara Junge, alles richtig eingeordnet und benannt.



    Jetzt bitte auch die Blauäuigkeit in Bezug auf die Faschisten und vor allem gegenüber ihren Steigbügelhaltern in Deutschland und Österreich (die Zentrumspartei von 1933 lässt grüßen) in der taz genauso beenden.

  • Wichtig zu verstehen ist die Tatsache, dass der Faschismus nicht der kapitalistischen Ökonomie an die Wäsche geht - und der moderne Faschismus sich westlicher neoliberaler Stilmittel bedient, um an aktuelle, mehrheitsfähige Diskurse anzudocken. (Barbara Junge hat das sehr schön ins Bild gesetzt mit der Formulierung, das Großkapital küsse den Ring des Faschisten. Paul Mason hat’s noch prosaischer formuliert: das Kapital setze das Schwert des Faschismus über sein eigenes Haupt, im sich zu retten.)



    Man könnte diesen Neofaschismus auch als Radikalisierung des Neoliberalismus bezeichnen - wobei ich mir nicht sicher bin, wer hier am Ende wen „fressen“ wird. Exzessiver neoliberaler Individualismus scheint (bisher) ja nicht im Widerspruch zu einem Neofaschismus a la Musk/Trump zu stehen.



    Aber die alten „Versatzstücke“ des Old-School-Faschismus (bzw. heutzutage des russischen a la Putin) kommen hinzu: Sozialdarwinismus, Nationalismus, Rassismus/Ableismus etc. Auf andere „traditionelle“ Elemente scheint dieser neue Faschismus gut verzichten zu können, etwa Antisemitismus und Homophobie. Hierzulande ist dabei Muslimfeindlichkeit zu einem wesentlichen Faktor geworden.

  • Niemand wurde gezwungen, Trump zu wählen. Daß sich dennoch eine nicht unwesentliche Anzahl an "Marginalisierten", Schwarzen, Latinos, asiatisch-stämmigen dazu entschlossen hat, läßt sich entweder mit der Überzeugungskraft der trump'schen Argumente erklären, oder, wie ich eher glaube, mit der Distanz und der schlichten Unkenntnis der Linken zuund von den von ihnen zu beglückenden Klassen. Und der Verachtung, die sich in Begriffen wie White Trash, Fly-over-land, Rednecks uÄ ausdrückt. Ebenso die Intoleranz ggü. Menschen, die anders denken: Wenn man alles und jeden als Faschisten beschimpft, die eine andere Meinung vertreten, muß man sich nicht wundern, wenn sich die Menschen dann irgenwnn auch so verhalten.

  • Ja. Gut. - Aber wie nun weiter ?

    Die Nazis, namentlich Göbbels, verstanden es meisterhaft, das Medium Rundfunk für ihre Zwecke einzuspannen.



    (Übrigens wusste man bei den Nazis am Anfang nicht, wie alles endet ...)

    Ich denke, was Trump und seine Art von autoritärer bzw faschistischer Politik betrifft, so ist die entscheidende Frage: wer kontrolliert bzw beherrscht die öffentliche Meinung.

    Leider können Leute wie Musk über ihre Netzwerke quasi schrankenlose Macht ausüben.

    Mich erinnert das an die Situation im



    19. Jahrhundert, als die Fabrikbesitzer quasi unbeschränkt schalten und walten konnten - bis nach und nach und unter unendlichen Opfern die Gewerkschaften aufgebaut wurden und sich schließlich die Situation komplett änderte.

    Genauso müssen wir heute vorgehen: der ungezügelten Macht von Leuten die



    Musk und Zuckerberg eine Macht von unten entgegensetzen und entsprechende Strukturen aufbauen.

    • @Konfusius:

      Ich weiß, wie man die verhindern kann.



      Weil das sind auch Kapitalisten. Und denen schmerzt es sehr, wenn ihre Produkte nicht konsumiert werden.

      Aber wer will schon Wohlstand und Bequemlichkeit opfern? Dann sich lieber von ungeprüften, alternativen Fakten berieseln lassen. Und Social Media soll ja was ganz vorteilhaftes sein.........

      Selbst schuld, ihr Konsumenten.

  • Endlich Klartext in Bezug auf Musk und Trump und was für eine Scham darüber, dass Deutschlands Leitmedien (ARD, ZDF, etc.) es bis auf wenige Ausnahmen nicht wagten, die "Geste" von Musk als das zu bezeichnen, was sie ist: ein Hitlergruß.



    Und was für ein Abgrund, der sich auftun könnte, sollte Merz und seine CDU/CSU in der nächsten Woche die Brandmauer zur AFD einzureißen.



    In Hamburg verscherbelt gerade die SPD ihre antifaschistische Tradition mit Friedrich Ebert, weil sie nicht verhinderte, dass die AFD am Sonntag eine Großveranstaltung in der Friedrich-Ebert-Halle (gehört einer Tochterfirma der Stadt Hamburg) abhält.



    Einen Tag später ist der 80. Jahrestag der Auschwitzbefreiung! Unglaublich.

  • „Es war schon immer eine Politik von oben, die sich auf ein Mandat von unten berufen kann."



    Auch Deutschland wird das wohl wieder schMERZlich erfahren.

    • @starsheep:

      Danke für 'schMERZlich' - das sollte in den nächsten vier Wochen immer wieder plakatiert werden.

  • Ach was, der ist kein Faschist, nur blöde und chaotisch. Ein echter Faschist hätte eine Philosphie und einen Plan, beides hat der nicht. Seine einzige echte Philosophie heißt "Trump first".

    • @wolf64:

      „… blöde und chaotisch …“ ..“Trump first ..“ stimmt, aber das schließt Faschismus leider keineswegs aus.

    • @wolf64:

      Bin gespannt, wann die beiden sich zerstreiten. Nur eine Frage der Zeit...

      • @DerLurch:

        Hitler und Röhm haben sich auch 'zerstritten'. Das hat die faschistischen Horden überhaupt nicht aufgehalten. Darauf zu hoffen, ist naiv.

    • @wolf64:

      Ich bin mir nicht sicher, ob das ein gutes Argument ist: die italienischen Faschisten z.B. hatten anfangs auch keine durchdachte Philosophie (ausser einem theoretisch wenig unterfütterten Ultranationalismus und dem Feindbild Kommunismus, das in dieser Zeit allerdings weit verbreitet war, auch jenseits der extremen Rechten). Die Philosophie hat man sozusagen "unterwegs" erfunden und ist dabei oft vage geblieben - letzteres war sogar oft ein Vorteil, weil man so recht anschlusfähig für verschiedene Milieus war. Im Grunde gilt das ja auch für Trump, der zur Projektionsfläche für reaktionäre Christen, Libertäre, Neurechte etc. wird. Auf ihre eigene Art ist die MAGA-Bewegung sogar recht inklusiv.



      Ich teile aber ihre Skepsis gegen den Faschismus-Begriff: es ist vermutlich nicht zielführend, wenn man den europäischcen Rechtsextremismus des frühen 20. Jahrhunderts zum Deutungsmuster für den Trumpismus macht, statt letzten aus seinen eigenen Bedingungen heraus zu erklären. Aus der Geschichte zu lernen, heisst nicht, überall Analogien zu sehen. Trump ist eine Gefahr, aber nicht, weil er ein Wiedergänger Mussolinis ist, sondern weil er Trump ist.

  • die wichtigste Frage, kommen wir, als Europäer da irgendwie durch oder werden wir in Passivität und Relativierung verharren, bis es auch bei uns soweit ist?