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Die USA beerdigen Joe Bidens Klimapolitik

Die Republikaner wollen den Inflation Reduction Act (IRA) kassieren. Sie gefährden damit Hunderttausende Arbeitsplätze und sorgen für höhere Energiepreise

Solarmodule im Death-Valley-Nationalpark in Kalifornien: Mit der Förderung solcher Anlagen ist bald Schluss Foto: Fo­to:­ imago

Aus Washington Hansjürgen Mai

Ein von Republikanern ausgehandeltes Haushalts- und Steuerpaket gefährdet Hunderttausende US-amerikanische Arbeitsplätze im Bereich der nachhaltigen Technologien. Auch andere Industrien und die amerikanische Gesellschaft insgesamt könnten von den im Gesetzespaket enthaltenen Kürzungen betroffen sein. Dies geht aus einer Studie des unabhängigen Thinktanks Energy Innovation hervor.

Laut der Studie würden die im Gesetzespaket vorgesehenen Veränderungen zu einem Verlust von mehr als 800.000 Arbeitsplätzen in den kommenden fünf Jahre führen. Außerdem würden sie Investitionen in den heimischen Energiesektor bremsen und das Bruttoinlandsprodukt der USA um 117 Milliarden Dollar reduzieren.

„Mit diesem Gesetzentwurf wird der Konjunkturimpuls, der 2022 in Form des von Ex-Präsident Joe Biden unterzeichneten Klimagesetzes eintrat, in gewisser Weise untergraben“, sagte Dan O’Brien, leitender Analyst bei Energy Innovation, der taz.

Bidens Klimagesetz, der Inflation Reduction Act (IRA), hat seit seiner Einführung im August 2022 zu einer Investitionsflut im Bereich der nachhaltigen Technologien geführt. Laut der Klimaschutz-Organisation Climate Power hat der IRA für Investitionen von mehr als 422 Milliarden Dollar gesorgt und mehr als 400.000 neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien und anderen nachhaltigen Branchen geschaffen.

„Der Kongress muss Arbeitsplätze und Investitionen schützen. […] Amerikanischen Unternehmen, Innovatoren und Arbeitnehmern den Boden unter den Füßen wegzuziehen, wäre, wie ein Präsident es ausdrückte, ein ‚amerikanisches Blutbad‘“, warnte die Vorsitzende Direktorin von Climate Power Lori Lodes bereits im Januar und spielte mit dem Ausdruck „amerikanisches Blutbad“ auf US-Präsident Donald Trumps erste Antrittsrede vor mehr als acht Jahren an.

Doch diese Warnung stieß augenscheinlich auf taube Ohren, denn Experten zufolge führt das in der vergangenen Woche verabschiedete Haushalts- und Steuerpaket genau dazu. „Viele der im Inflation Reduction Act geschaffenen Anreize haben für eine Renaissance im Produktionsgewerbe gesorgt, die wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben“, sagte Energy Innovation-Analyst O’Brien. Das neue Gesetz bewirke genau das Gegenteil. „Es sorgt im Wesentlichen für die schrittweise Abschaffung und gleichzeitige Einschränkung von Produktionskrediten für fortschrittliche Produktionsverfahren“, erklärte er.

Dass von Präsident Trump als „Big, Beautiful Bill“ bezeichnete Gesetz sorgt für das vorzeitige Ende mehrerer Förderprogramme und Subventionen, wie etwa den Steuerrabatten für Elektrofahrzeuge oder Fotovoltaikanlagen. Ohne diese Förderungen und Subventionen wird es laut O’Brien in Zukunft zu einer Verzögerung beim Ausbau von erneuerbaren Energien kommen. Die Folge sind höhere Energiekosten für Wirtschaft und Privatpersonen.

Laut der Analyse von Energy Innovation könnten die Energiekosten für einen durchschnittlichen Haushalt bis 2030 um 120 Dollar pro Jahr ansteigen. Und auch die amerikanische Wirtschaft werde dies zu spüren bekommen, denn im vergangenen Jahr waren 90 Prozent aller neu ins US-Stromnetz aufgenommenen Kapazitäten erneuerbare Energien.

Die sofortige Abschaffung der Förderung des Baus von Erneuerbaren-Energien-Anlagen werde es den Versorgungsunternehmen verunmöglichen, steigende Kosten zu vermeiden, warnte Todd Brickhouse, Geschäftsführer von Energieunternehmen Basin Electric Power, bei einer Kongressanhörung im März. „Und dies wird auch den Gebührenzahlern unmittelbar schaden“, betonte er. Fossile Energieträger könnten die Kapazitätsengpässe nicht ausgleichen, die durch den voraussichtlich ausbleibenden Bau von Erneuerbaren-Anlagen entstehen. Und das zu einer Zeit, in der der Strombedarf immer weiter ansteigt – die Entwicklungen beim Thema künstliche Intelligenz sind nur ein Beispiel.

John Ketchum, Chef von NextEra, einem der größten Betreiber von erneuerbaren Energien und Gaskraftwerken im Land, erklärte, dass erneuerbare Energien, gekoppelt mit einem Batteriespeicher, „der günstige, schnellste und einfachste Weg sind, um der steigenden Nachfrage an Elektrizität nachzukommen“. Ketchum warnte, dass die Strompreise „durch die Decke gehen werden“, wenn diese Option wegfallen würde,

Neben den möglichen Auswirkungen auf Strompreise und Arbeitsplätze haben die Änderungen auch Folgen für den Umweltschutz und die Gesundheit. Weniger erneuerbare Energien am Netz und Elektrofahrzeuge auf den Straßen bedeuten umgekehrt mehr fossile Brennstoffe und eine größere Anzahl von Benzin- und Dieselfahrzeugen. Die Folge ist die Zunahme von Luftverschmutzung. Laut Berechnungen von Energy Innovation könnte dies bis zu 260 Millionen Tonnen zusätzlich an CO2-Abgasen und 670 vorzeitigen Todesfällen in den kommenden zehn Jahren verursachen.

Trotzdem stimmten bis auf zwei Abgeordnete alle Republikaner im US-Repräsentantenhaus für das Gesetzespaket. Zu Beginn der Verhandlungen im Kongress hatten einige Republikaner, deren Wahlbezirke in den vergangenen Jahren von Bidens Klimagesetz profitiert hatten, um Zurückhaltung gebeten. „Da der Energiebedarf weiterhin rasant steigt, besteht bei allen Änderungen, die unsere Fähigkeit zur Nutzung neuer Energiequellen einschränken, die Gefahr, dass in unserem Land eine Energiekrise ausbricht, die für amerikanische Familien drastisch höhere Stromrechnungen zur Folge hat“, erklärten 21 republikanische [Abgeordnete]in einem Schreiben an ihre Kollegen im März. Am Ende stimmten trotzdem alle 21 für das Paket.

Das Gesetz beendet Förderprogramme und Subventionen, etwa Steuerrabatte für Elektrofahrzeuge oder Solaranlagen

Eine Untersuchung zu den Folgen des IRA im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass bisher mehr als die Hälfte aller Projekte, zwei Drittel aller Jobs und über 80 Prozent der Fördergelder an Wahlbezirke gingen, die durch Republikaner im Kongress vertreten sind.

Analyst O’Brien geht davon aus, dass Republikaner im US-Senat weitere Veränderungen ins Gesetz einbringen, besonders wenn sie sehen, dass es in seiner aktuellen Form die wirtschaftlichen Chancen der eigenen Wähler gefährdet. Das Gesetz muss den Senat passieren, bevor US-Präsdent Donald Trump es unterschreibt.

Ein großes Ziel von Trumps Wirtschaftspolitik ist es, mehr Fabriken und Produktionsstätten in die USA zu bringen. Laut Experten wird der Abbau von Förderung im Bereich der nachhaltigen Technologien doch zum genauen Gegenteil führen. Unternehmen, die sich die USA als Standort hätten vorstellen können, werden nun zweimal überlegen, ob die Voraussetzungen woanders besser sind. Und die, die den Schritt bereits gewagt haben, müssen sich kurzfristig auf höhere Betriebskosten einstellen.

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