Die Türkei und die Hamas: Der letzte Freund der Islamisten
Für die radikalislamische Hamas gibt es seit dem Putsch in Ägypten wenig Unterstützung, außer aus der Türkei. Waffen kann die aber nicht liefern.
ISTANBUL taz | Wer in diesen Tagen in der Türkei den Fernseher einschaltet, sieht entweder grauenhafte Bilder vom israelischen Krieg in Gaza – oder er hört Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan grauenhafte Dinge über Israel sagen. Entsprechend ist die Stimmung in der Türkei. Täglich finden vor dem israelischen Konsulat in Istanbul und vor der Botschaft in Ankara heftige Demonstrationen statt. Vor drei Tagen griff die Polizei in Ankara erst ein, als Demonstranten sich anschickten, das Gelände zu stürmen.
Was der türkische Fernsehzuschauer dagegen kaum erfährt, ist, dass die Empörung über Israels Gaza-Krieg nicht überall geteilt wird. Nicht nur im Westen ist die Kritik an der israelischen Regierung ziemlich verhalten, auch in fast allen arabischen Ländern kann die palästinensische Hamas derzeit kaum auf Unterstützung rechnen.
Allein das kleine Katar und die Türkei stehen fest an ihrer Seite. Dabei droht die Hamas zu einem Spielball im regionalen Machtkampf im Nahen Osten zu werden.
Der Ausgangspunkt dafür war der Putsch gegen die ägyptische Muslimbrüderschaft und ihren Präsidenten Mohammed Mursi im letzten Jahr. Erdogan war und ist ein enger Verbündeter der Muslimbrüder und hat deshalb den Putsch scharf verurteilt. Zu seinem Ärger haben Saudi-Arabien und die Golfstaaten, mit Ausnahme von Katar, den Putsch unterstützt und sind heute auf Seiten der neuen ägyptischen Regierung. Seitdem stehen sich die Türkei und Katar auf der einen, Ägypten, Saudi-Arabien und die Golfstaaten auf der anderen Seite in einem scharfen Konflikt gegenüber.
Maximalforderungen
Letztlich geht es darum, wer die Führungsmacht der sunnitischen Muslime darstellt. Im Moment droht die Hamas in diesem Konflikt zerrieben zu werden. Während Ägypten versucht, einen Waffenstillstand in Gaza auszuhandeln, redet die Türkei den Palästinensern ein, hart zu bleiben. Außenminister Ahmet Davutoglu wies zwar den ägyptischen Vorwurf zurück, die Türkei würde einen Waffenstillstand hintertreiben, erklärte aber bald darauf, die türkische Regierung unterstütze die Maximalforderungen der Hamas.
Doch weder die Türkei noch Katar grenzen an den Gazastreifen oder das Westjordanland. Sie können daher keine Hilfsgüter – und schon gar nicht Waffen an die Hamas – liefern.
Was bleibt, ist eine höchst aggressive Rhetorik der türkischen Regierung und eine ohnmächtige Wut auf den Straßen. Letztlich stärkt Erdogan den Hardlinern bei der Hamas den Rücken und verlängert dadurch das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung. Bis auch Erdogan die Hamas-Führung drängt, einem Kompromiss zuzustimmen, wird es wohl noch etwas dauern. Frühestens nach den Präsidentschaftswahlen am 10. August rechnen Kommentatoren in der Türkei mit einer pragmatischeren Haltung von Erdogan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen