Die Türkei als „sicherer Drittstaat“: Vorbehalte und Verbindungen
Die Einstufung der Türkei als „sicherer Drittstaat“ ist rechtlich möglich. Abschiebungen dorthin werden aber nur eingeschränkt machbar sein.
Bevor aber überhaupt mit Zurückschiebungen begonnen werden kann, muss Griechenland die Türkei als „sicheren Drittstaat“ einstufen. Die EU-Asylverfahrensrichtlinie von 2013 unterscheidet dabei zwei Formen: „Europäische sichere Drittstaaten“ (Artikel 39) müssen die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ohne regionalen Vorbehalt ratifiziert haben, ein gesetzliches Asylverfahren aufweisen, die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben und beachten.
Die Türkei hat zwar die GFK ratifiziert – aber mit regionalem Vorbehalt. Daher können sich dort zwar Flüchtlinge aus Europa auf die Konvention berufen, Syrer aber nicht.
In der EU-Richtlinie gibt es eine weitere Kategorie, die „sonstigen sicheren Drittstaaten“ (Artikel 38). Hier muss die GFK nicht vorbehaltlos ratifiziert sein; es genügt, dass ein Asylantrag gestellt werden kann und – bei Anerkennung – entsprechend Schutz gewährt wird. Zudem darf im Drittstaat selbst keine Gefahr bestehen.
Einzelfallprüfung gewährleisten
Diese Anforderungen dürfte die Türkei erfüllen. Zwar wird immer wieder berichtet, dass Flüchtlinge zurückgeschickt werden – die Regel ist das aber nicht, wie die knapp drei Millionen Syrer in der Türkei belegen. Zudem sollen anerkannte Flüchtlinge künftig mit EU-Geld besser in die türkische Gesellschaft integriert werden.
Die mögliche Einstufung als sicherer Drittstaat führt aber zu rechtlichen Anforderungen, die im griechischen Recht umzusetzen sind. So muss zwischen dem Flüchtling und dem Drittstaat, in den er zurückgeschickt werden soll, eine Verbindung bestehen, „so dass es vernünftig erscheint, dass diese Person sich in diesen Staat begibt“.
Dies dürfte nur für solche Flüchtlinge zutreffen, die bereits eine Zeit in der Türkei gelebt haben, bevor sie nach Griechenland aufgebrochen sind. Wer die Türkei nur als Transitstaat nutzte, wird in der Regel nicht die erforderliche „Verbindung“ haben.
Außerdem muss das griechische Recht eine Einzelfallprüfung gewährleisten. Dabei muss jeder Flüchtling geltend machen können, dass die Türkei für ihn persönlich nicht sicher ist. Außerdem muss auf Antrag geprüft werden, ob der Flüchtling die erforderliche Verbindung zur Türkei hat. Im Streitfall muss das die griechische Justiz entscheiden, auf deren Leistungsfähigkeit sowohl Flüchtlinge als auch EU-Staaten hoffen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern