Die Sonne scheint und Berlin spaziert: Bloß raus vor die Tür

Das sonnige und warme Wetter treibt viele Menschen in die Parks und Plätze dieser Stadt. Wem kann man es verdenken? Ein Spaziergang durch Berlin.

Viele viele Menschen genießen die untergehende Sonne und frühlingshafte Temperaturen auf dem Tempelhofer

Sonntag auf dem Tempelhofer Feld: Sonnenuntergang gucken – garantiert nicht allein Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

BERLIN taz | Alles scheint wie früher zu sein. Der Boxhagener Platz im Herzen Friedrichshains brummt an diesem Samstag, dem klassischen Markttag. Die Sonne lacht, spazierst du mal wieder zum Boxi und guckst, was da so geht – aus journalistischem Interesse, denn ich war lange Zeit nicht hier. Okay, Käse kaufen wollte ich auch.

Ich wunder mich schon aus der Ferne, wie viele Menschen sich auf dem Platz tummeln, ja, es wimmelt nur so von ihnen. So als ob es kein Corona gäbe, keine Kontaktbeschränkungen, nur an den Masken kann man erkennen, dass wir in Pandemiezeiten leben. Okay, der Markt an sich mit seinen Ständen findet schon länger auf größerer Fläche statt, weil auch die den Boxi umgebenden Straßen dafür genutzt werden. Die Massen haben also viel mehr Platz, aber es sieht so voll aus wie vor Coronazeiten auch.

Nach 100 Metern durchs Getümmel – Abstand halten geht quasi nicht – gebe ich auf. Mein Unterbewusstsein steuert mich auf eine Nebenstraße und führt mich schnurstracks in den nächsten Biomarkt, um dort, wo sich halbwegs Abstand halten lässt, Käse zu kaufen. Und dann auf dem Rückweg einen Umweg machen, wie immer, um über meinen Lieblingsspazierfriedhof zurück nach Hause zu gelangen.

Hier war früher nie viel los. Eigentlich nicht. Seit Corona ist das natürlich anders, Friedhöfe sind gesuchte Spaziergangsorte geworden. Und wenn Schnee liegt wie letztens oder wenn nun die Sonne dauerscheint, potenziert sich das noch mal. Selbst auf meinen Geheimwegen durch längst nicht mehr gepflegte und wild überwucherte Areale schlendern andere auf den Trampelpfaden. An Sonnenplätzen wird rumgehangen. Man ist nirgends mehr allein.

Du bist nicht allein …

Das kann stressen. Dabei weiß ich, dass es allen genauso geht wie mir. Ich bin ja auch nur Teil der Massen, die sich durch Berlins Flora und Fauna wälzen. „Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge / durch die Gärten und Felder zerschlägt“, heißt es im berühmten „Osterspaziergang“ von Goethe, der mir in den Sinn kommt.

Eine Honigbiene auf einem Krokus auf einem Berliner Friedfof, Ende Feberau aufgenommen

Auf dem Lieblingsfriedhof des Autors summt es schon … Foto: Jan Otto

Das passiert überall in dieser Stadt, sie scheint überbevölkert, überlaufen zu sein. Ein Kollege erzählte, wie „wild es im Tegeler Kleingartenverein wuselte“ – als ob schon April wäre, „es wurde geschnipselt und geschreddert, und einige Nachbarn haben den ganzen Tag mit der erweiterten Großfamilie gegrillt“. Auch „nebenan im Steinbergpark war osterspaziergangsmäßig“ was los …

Ein anderer Kollege war am Landwehrkanal unterwegs: „Dicht an dicht saßen die Leute beisammen“, berichtet er. Und auch die Gruppengrößen, „die man übers Wochenende im Graefekiez sah, werfen Fragen auf, ob sich überhaupt jemand der Kontaktbeschränkungen bewusst ist. Drinks und Sonnenbrillen sah man zuhauf, Masken dafür umso weniger.“

Polizei-Coronastreife auf dem Fahrrad

Im Mauerpark war ebenfalls die Hölle los. „Schon in den Seitenstraßen des Mauerparks strömten Radler-trinkende Jugendliche mit Sonnenbrillen-tragenden Spa­zier­gän­ge­r:in­nen zu einem Menschenstrom zusammen, der sich scheinbar unaufhaltsam Richtung Park bewegte“, formulierte ein Kollege so schön seine Beobachtungen. „Die Sonnenstrahlen schienen auch die Anspannungen der letzten Monate aufzuschmelzen und nur noch die etwas größeren Ausfallschritte beim gegenseitigen Ausweichen erinnerten an die grassierende Pandemie.“

Wie der RBB berichtete, rückte die Polizei aus und erinnerte die grillenden Anwesenden im Mauerpark an das Alkoholverbot. Andernorts fuhr die Polizei Coronastreife auf dem Fahrrad.

Aber mal ehrlich: Wem kann man es verdenken, die Sonne zu genießen und endlich, endlich draußen zu verweilen, ohne zu frieren. Und dass das die nächsten Tage so bleiben wird, prophezeit der Wetterbericht: Es bleibt heiter bis richtig sonnig, ab Mittwoch bis zu 19 Grad, ab Freitag „nur noch“ um 11 Grad.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.