Die Rettung der Netzneutralität: Bitte warten … Seite lädt noch
In den USA tun sich Pornoseiten, Onlineversandhändler und soziale Netzwerke zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: die Netzneutralität verteidigen.
Die Trump-Administration in den USA hat es nicht so mit Gleichberechtigung. Das trifft Frauen, Migrant_innen, die LGBT-Community – und das Internet. Denn Ajit Pai, seit dem Frühjahr Chef der US-Telekomaufsicht FCC (Federal Communications Commission), hat es auf die Netzneutralität abgesehen.
Egal ob YouTube, die Webseite des örtlichen Tierheims oder der Blog einer politischen Aktivistin – bisher werden alle Datenpakete im US-Netz mit der gleichen Priorität behandelt. Dass das so ist, entspricht keineswegs dem Wunsch der Netzanbieter, namentlich etwa Verizon, Comcast oder AT&T. Die könnten ordentlich Profit machen, dürften sie sogenannte Fast Lanes, Überholspuren im Netz, anbieten. Wer seine Daten vorrangig transportiert sehen will, zahlt extra. Wer sich das nicht leisten will oder kann, hat das Nachsehen.
Das bedeutet nicht nur einen Vorteil für große, finanzstarke Unternehmen – es gibt außerdem den Netzanbietern die Macht zu entscheiden, zu wessen Angebot oder Webseite Kund_innen komfortabel Zugang haben. Wer besucht schon eine Videoplattform, auf der sich ununterbrochen ein Rädchen dreht und einem entgegenruft: „Ich lade noch“?
Um solche Szenarien zu verhindern, hatte die FCC 2015 strenge Regeln zur Wahrung der Netzneutralität beschlossen. Den Netzbetreibern ist es dadurch untersagt, jedweden legalen Internetverkehr zu bevorzugen, zu drosseln oder zu sperren. Teile der Telekombranche zogen dagegen vor Gericht, unterlagen aber.
Ajit Pai war schon damals einer von fünf Kommissaren der FCC – und gegen diese Regelung. Schon kurz nach der Wahl Trumps zum Präsidenten versprach er in einem Brief an die Verbände der US-Netzanbieter, sich zu bemühen, die Regulierungen zu überarbeiten. Nun ist Pai Vorsitzender der Kommission und macht Ernst. Das Verfahren zur Abschaffung der Regelung läuft, der Ausgang lässt sich erahnen; unter Trump haben die Republikaner in der Kommission die Mehrheit.
Das Internet streikt
Doch während ein solches Vorhaben in Deutschland wohl beinahe nebenher vonstatten gehen und höchstens mit einem „Netzneutrali-was?“ kommentiert werden würde, bläst in den USA das Internet zum Kampf. Bis zum kommenden Montag kann jeder und jede online bei der FCC eine Stellungnahme einreichen. Bis Mittwochmittag hatten das rund 6,5 Millionen Menschen getan.
Ein Mobilisierungserfolg, der wohl noch weiter angeschoben wird. Denn: Das Internet streikt. Mehr als 60 Unternehmen, Organisationen und Webseiten haben sich zusammengetan und riefen für Mittwoch zum „Internetweiten Aktionstag zur Rettung der Netzneutralität“ auf. Mit dabei sind Unternehmen wie Amazon, Vimeo, Kickstarter, Etsy, Twitter, Reddit und auch verschiedene Pornowebseiten wie Pornhub, aber auch Non-Profit-Organisationen wie Fight for the Future oder das Center for Media Justice.
Auf vielen beteiligten Seiten blinkt den Besucher_innen ein großes Banner entgegen, das verkündet: „Sorry, wir stecken in der Slow Lane fest“, oder: „Diese Seite wurde durch Ihren Netzbetreiber geblockt“. In einem Feld darunter können Nutzer_innen direkt einen Aufruf an den Kongress und die FCC verschicken und fordern, die Netzneutralität zu erhalten. Auf Twitter ist das Hashtag #NetNeutrality mit einem sich endlos drehenden Ladesymbol dekoriert. Die Dating-App OkCupid will ihre Nutzer_innen mit Nachrichten auf dem Smartphone zum Handeln ermuntern.
Ob das Ende der Netzneutralität dadurch abgewendet werden kann, muss sich zeigen. Falls nicht, könnte das Surfen auf bestimmten Seiten bald
sehr viel lang
samer
werd
en.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf