„Die Partei“-Vorsitzende*r outet sich: Viele Aha-Momente
Beim CSD in Hannover hat Juli Klippert sich als nicht-binär und agender geoutet. Das angemessene Pronomen sei nun am besten gar keins.
Sich auf eine Position festzulegen, das gelingt Juli Klippert nicht so wie anderen. Posten etwa sind eher so was wie Adressen in einem Identitäts-Kontinuum: Vom Vorsitz der Satire-Partei „Die Partei“ in der niedersächsischen Landeshauptstadt reicht das bei Klippert über den Landesparteivorsitz und ein Ehrenamt als Ratsmitglied in Hannover bis zum Sitz in der Regionsversammlung. Selbst mit einem Samstag pro Woche gab sich Klipperts Partei ja nicht zufrieden und forderte im Wahlkampf mal, einen zweiten einzuführen.
Aber auch wenn für andere „schwer zu erkennen“ sein mag, „was ein ernsthaftes Anliegen“ der Satire-Politiker:innen ist, wie SPD-Ratsfrau Christine Kastning mal der Neuen Presse verriet: In Klipperts Umfeld wird viel offenkundig ernst gemeinte, wenn auch manchmal ungewöhnlich kommunizierte Politik gemacht – vom Dornröschenbrücke-Neubau über den Klimawandel bis zum Kampf gegen Antisemitismus oder sexuelle Belästigung.
Ein ernstes Anliegen ist es Klippert auch, nun Juli zu heißen und sich nicht mehr einem von bloß zwei Geschlechtern zuzuordnen, also nicht-binär zu sein und agender, ungeschlechtlich. Beim CSD in Hannover im Mai kam es zum Outing, erzählt Klippert, nachdem es schon monatelang in ihm gegärt habe. „Da war dann die richtige Stimmung da“ und der Mut, damit herauszukommen. Schön sei das gewesen und erleichternd. „Ich bin froh, erst mal so weit gekommen zu sein“, sagt Juli Klippert, nach den vielen Aha-Momenten, die es während der Arbeit zu queeren Themen gegeben habe.
Der Rückhalt aus der Szene und aus dem persönlichen Umfeld sei groß. Und dass Klipperts viereinhalbjähriger Sohn, einen zehn Monate alten Bruder gibt es auch, weiterhin Papa sage, fühle sich okay an. Keine Probleme fürs Familienleben. Diese Woche informierte Klippert die Presse und die Ratsgremien, dass das angemessene Pronomen nun am besten gar keins ist. Seitdem gebe es auch viel Hass, Häme und Spott in den sozialen Netzwerken, schwer erträglich sei das. Die AfD hat angekündigt, Klippert in den Gremien weiterhin als Mann zu behandeln.
Jetzt will Klippert erst mal weiterlernen, wie das zum Beispiel so ist mit der neuen Vorbildfunktion für diejenigen, die sich durch sein Outing bestärkt fühlen. Auf eins mag sich Juli Klippert dabei schon mal festlegen: Dem Rat in Hannover tut es bestimmt gut und ihm selbst auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee