Die NPD und der Bundespräsident: „Widerlich, ekelig, unappetitlich“
Durfte Joachim Gauck die NPD harsch angehen? Darüber entscheidet nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Richter tendieren zur Redefreiheit.
KARLSRUHE taz | Muss Bundespräsident Joachim Gauck immer neutral und sachlich sein? Oder darf er die Anhänger der NPD auch mal als „Spinner“ bezeichnen? Das wird demnächst das Bundesverfassungsgericht entscheiden, das am Dienstag über eine Organklage der rechtsextremen Partei gegen Gauck verhandelte.
Anlass war eine Diskussion mit Berliner Schülern im August 2013. Gauck hatte damals im Zusammenhang mit der NPD Bürger gelobt, „die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufzeigen“. Die NPD klagte, der Bundespräsident habe damit die Chancengleichheit der Parteien verletzt.
Die Verfassungsrichter besorgten sich daraufhin einen Tonbandmitschnitt und hörten sogar noch mehr Meinungsstarkes. So bezeichnete Gauck rechtsextreme Gedanken als „widerlich“, „ekelig“ und „unappetitlich“. Ein Verbot der NPD habe aber nur begrenzten Wert, denn „die Spinner, Ideologen und Fanatiker haben wir damit nicht aus der Welt geschafft“.
NPD-Anwalt Peter Richter sah darin eine Verletzung der Neutralität: „Wer über den Parteien stehen soll, darf sich nicht in den Wettbewerb der Parteien einmischen.“ Gauck selbst erschien nicht vor Gericht. Dessen Rechtsvertreter Joachim Wieland hielt aber dagegen: Der Bundespräsident sei zwar grundsätzlich zu Neutralität verpflichtet. Die Erfüllung seiner Aufgaben habe aber Vorrang. „Vor Gefahren für das Grundgesetz muss er auch dann warnen, wenn sie von konkreten Parteien ausgehen.“
Der NPD-Anwalt ließ das nur teilweise gelten. Angriffe, die auf Parteien zielten, nannte er „ausgeschlossen“. Er erinnerte daran, dass Gaucks Äußerungen mitten im Wahlkampf zur Bundestagswahl fielen. Richter pochte darauf, dass der Bundespräsident sachlich bleiben müsse. „Es geht nicht, dass er NPD-Mitglieder als Spinner, das heißt ’leicht geisteskrank‘, bezeichnet.“
Gaucks Vertreter Wieland konterte: „Der Bundespräsident muss so reden, dass er verstanden wird, er darf vor Schülern also auch Worte der Umgangssprache benutzen.“ Im Übrigen habe der Bundespräsident „kein Polemikverbot“.
Gericht muss Maßstäbe setzen
Der Streit hat grundsätzliche Bedeutung, weil sich im Grundgesetz nur wenig Vorgaben für die Arbeit des Bundespräsidenten finden. Das Bundesverfassungsgericht muss nun also erst selbst die Maßstäbe festlegen, an denen es dann die NPD-Klage messen wird.
Gaucks Vertreter Wieland warb darum, dem Bundespräsidenten möglichst wenig Vorgaben zu machen. „Das Grundgesetz vertraut darauf, dass der Bundespräsident die richtigen Worte findet.“ Er könne im Gespräch mit den Bürgern auch nicht jedes Wort mit seiner Rechtsabteilung abklären.
Die Verfassungsrichter wollten Joachim Gauck mit der überraschend schnell angesetzten Verhandlung offensichtlich einen Schuss vor den Bug verpassen. Seine „Spinner“-Äußerung werden sie aber vermutlich nicht beanstanden. Darauf deuteten die Fragen in der Verhandlung. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
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