Die Linke und die AfD: Lafontaine will den Euro nicht
Was haben Oskar Lafontaine und die AfD gemeinsam? Beide sind gegen den Euro. Gut möglich, dass sein Euro-Nein die Linkspartei im Westen spaltet.
BERLIN taz | Oskar Lafontaine, Chef der Linksfraktion im Saarland, hält die Auflösung des Euro für nötig. „Wenn reale Auf- und Abwertungen nicht möglich sind, dann muss man die einheitliche Währung aufgeben“, erklärt Lafontaine auf seiner Webseite.
An die Stelle des Euro sollen, so der Exfinanzminister, wieder nationale Währungen treten. Deren Wechselkurs soll die EU festlegen, um Spekulationen zu verhindern. Südländer sollen durch Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor einem allzu harten Absturz ihrer Währung bewahrt werden.
Lafontaine hält den Euro für gescheitert, weil es keine koordinierte Lohnpolitik in der EU gibt. Die Folge sei eine „reale Abwertung über sinkende Löhne, die 20- bis 3-prozentige Einkommensverluste in Südeuropa und sogar in Frankreich verlangt“. Diese Entwicklung führe „in die Katastrophe“.
Am Tag zuvor hatte Lafontaine in der Saarbrücker Zeitung noch die Idee vertreten, dass es neben dem Euro nationale Währungen geben solle. Davon ist in seiner Erklärung vom 30. April 2013 keine Rede mehr.
Die Linke ist für den Euro
Diese Position steht im Widerspruch zur Haltung der Linkspartei. Die Partei tritt trotz „großer Konstruktionsfehler nicht für ein Ende des Euro ein“. So steht es im Wahlprogramm, das im Juni in Dresden verabschiedet werden soll. Fraktionschef Gregor Gysi hatte kürzlich betont, dass ein Austritt aus dem Euro fatal wäre. Deutschland wäre damit isoliert und der „Export würde zusammenbrechen“.
Steffen Bockhahn, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Ostpragmatiker, hält Lafontaines Idee für falsch. „Das ist ein gefährliches Spiel mit Ressentiments gegen den Euro“, so Bockhahn. Die Linkspartei dürfe nicht nach rechts schielen, sondern müsse in der Eurozone um mehr solidarischen Geist und eine Sozialunion werben.
Auch Dominic Heilig, Mitglied im Parteivorstand, hält ein Zurück zu nationalen Währungen „für teuren und gefährlichen Unfug.“ Bockhahn findet die Art und Weise, wie Lafontaine die Debatte führt, „schockierend“. Während die Partei ihr Wahlprogramm diskutiert, reklamiere Lafontaine „einen Sonderstatus“ für sich und führe die Diskussion per Erklärung.
Bodo Ramelow, Fraktionschef in Thüringen, sieht die Äußerungen des Exfinanzministers in milderem Licht. Lafontaines Position sei kein „Anti-Euro-Populismus, sondern eine nachdenkenswerte, fiskalpolitisch begründete Haltung“. Lafontaine habe seine bekannte Überzeugung, dass der Euro nur mit einer gemeinsamen Lohn- und Steuerpolitik funktionieren wird, verschärft.
Die Gewerkschaften seien schuld
„Das hört sich für mich an wie eine resignierte Zuspitzung“, so Ramelow. Eigentlich sei Lafontaines Erklärung an die deutschen Gewerkschaften adressiert, die mit ihrer zurückhaltenden Lohnpolitik die Krise in der Eurozone katalysiert hätten. Die Linkspartei, so Ramelow, dürfe indes niemals „antieuropäisch erscheinen“.
Genau dies befürchten aber manche Ostpragmatiker. Für Unruhe sorgte schon ein Interview, in dem Sahra Wagenknecht, Vizechefin der Bundestagsfraktion, Lobendes über die neue, konservative euroskeptischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) gesagt hatte. In der Kritik der Europolitik, so Wagenknecht, gebe es zwischen der Linkspartei und AfD „viele Überschneidungen“.
Manche Ostlinke mutmaßen, dass damit die Grenze zum Rechtspopulismus porös wird und die Linkspartei wählbar für die euroskeptische Klientel gemacht werden soll. Damit könne die Linkspartei vielleicht im Westen bei Wahlen punkten, vermutet ein Ostrealo – „aber dann wäre das nicht mehr meine Partei“.
Katja Kipping, Chefin der Linkspartei, hält wenig von Lafontaines Vorschlag. „Raus aus dem Euro ist nicht unsere Position“, so Kipping zur taz. Die Linkspartei halte „die spalterische Politik von Angela Merkel für die größte Bedrohung für die EU – doch ein Zurück zur D-Mark wird es mit der Linkspartei nicht geben.“ Kipping weiter: „Wir wollen Europa und die EU, nur nicht so.“
Lafontaine, der überzeugter Europäer
Das Motiv von Lafontaine sei, anders als bei der AfD, „kein nationalegoistisches“. Lafontaine argumentiere zwar als „überzeugter Europäer“, sende aber die falsche Botschaft. „Unsere Botschaft muss lauten: Erweiterung des Euro um eine Wirtschafts- und Sozialunion, nicht Auflösung des Euro“, sagte Kipping.
Auch Bernd Riexinger, Linksparteichef aus dem Westen, geht auf Distanz zum Koketterien mit den Euroskeptikern. Per Twitter erklärte Riexinger, dass Welten zwischen AfD und Linkspartei liegen. Die Linke sage „Nein zur Austerität und Ja zum Euro“, während die AfD „Nein zum Euro und Ja zur Austerität“ sage. Dafür bekommt er innerparteilich Beifall von ungewohnter Seite.
Jan Korte, Pragmatiker aus dem Osten, sagte der taz: „Ich unterstütze diese Position meines Parteivorsitzenden ausdrücklich.“ Auch ohne bundespolitisches Amt ist Lafontaine eine Schlüsselfigur in der Westlinken. Gut möglich, dass sein Euro-Nein die Linkspartei im Westen spaltet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau