piwik no script img

Die Linke in NiedersachsenWider den zerzausten Zustand

Jessica Kaußen und Lars Leopold, die Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen der Linken in Niedersachsen, geben sich zuversichtlich. Trotz Fünfprozenthürde.

Das linke Spitzen-Duo für die Landtagswahl: Lars Leopold und Jessica Kaußen Foto: Ole Spata/dpa

BERLIN taz | Wie wohl die Stimmung sein wird am Sonntagabend in der Vereinsgaststätte von Arminia Hannover? Die Räumlichkeiten des Fuß­ball­ober­ligisten, dessen beste Zeiten lange zurückliegen, hat sich die Linkspartei für ihre zentrale Wahlparty auserkoren. Das passt irgendwie.

Jessica Kaußen und Lars Leopold, die beiden Spitzenkandidat:innen, geben sich unverdrossen zuversichtlich – was bleibt ihnen anderes übrig. Die 32-jährige Maschinenbauingenieurin Kaußen ist bislang Vorsitzende der Linken-Fraktion in der hannoverschen Regionsversammlung, der 44-jährige Kaufmann Leopold ist seit 2018 Landesvorsitzender der niedersächsischen Linken. Gemeinsam mit Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch haben die beiden am Mittwoch in Hannover ein „100-Tage-Programm für eine linke Opposition im Landtag“ vorgestellt.

Mindestens zehn Initiativanträge würden sie umgehend einbringen, „um sofort zentrale Forderungen unseres Programms in die Diskussion zu bringen und das Leben der Menschen in Niedersachsen besser zu machen“. Doch dafür müsste es die Linkspartei erst einmal in den Landtag schaffen. Danach sieht es derzeit nicht unbedingt aus.

Bartsch ist nicht der einzige Bundespolitiker, der zur Unterstützung angereist ist. Auch die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan wahlkämpfen kräftig. Und selbst Gregor Gysi gibt noch einmal alles. Am Donnerstag absolvierte der 74-jährige Altvordere Auftritte in Osnabrück und Hannover, an diesem Freitag spricht er auf der Wahlkampfabschlussveranstaltung in Salzgitter.

Für die Bundespartei geht es um viel. Mit aller Macht will sie den Abwärtstrend an den Wahlurnen stoppen. Doch das ist schwer. Nun lässt sich von Niedersachsen nicht sagen, dass es für die Linkspartei grundsätzlich aussichtslos wäre, genügend Stimmen für den Einzug in das Landesparlament zu sammeln. Anders als in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz ist ihr das hier sogar schon einmal gelungen. Das war 2008, ist also schon etwas länger her. Auf immerhin 7,1 Prozent kam die Partei, die damals mit 11 Abgeordneten in den Landtag einziehen konnte. Mit nur noch 3,1 Prozent mussten sie jedoch 2013 nach nur einer Legislaturperiode ihre Plätze wieder räumen. 2017 konnte die Linkspartei zwar wieder Stimmen hinzugewinnen, scheiterte aber mit 4,6 Prozent erneut an der Fünfprozenthürde.

Ans Aufgeben wird nicht gedacht

Wenn kein Wunder geschieht, dürfte das jetzt wieder der Fall sein. Wobei ein Ergebnis wie vor fünf Jahren bereits ein großer Erfolg wäre. Bei den Demoskopen liegt die Partei konstant zwischen 3 und 4 Prozent – und damit auf dem Niveau der Umfragen vor den drei Landtagswahlen, die es bislang in diesem Jahr gegeben hat und bei denen die Linkspartei schließlich tatsächlich nur zwischen 1,7 und 2,6 Prozent einheimsen konnte.

Auch wenn im Wahlkampf alle Streitereien in den Hintergrund geschoben worden sind: Die niedersächsische Linke befindet sich in einem zerzausten Zustand. Das ist nicht zuletzt das Resultat des Treibens des Ex-Bundestagsabgeordneten Diether Dehm, der seit PDS-Zeiten über fast zwei Jahrzehnte lang die Strippen in der Linken in Niedersachsen zog. Als der stramme Wagenknecht-Anhänger sich mit seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Bundestag im vergangenen Jahr zurückzog, hinterließ er einen zutiefst zerstrittenen Landesverband.

Doch damit wollen sich die niedersächsischen Wahl­kämp­fe­r:in­nen aus verständlichen Gründen derzeit nicht beschäftigen. „Wir werden die Landtagswahl zu einer Abstimmung gegen den Kurs der Landes- und Bundesregierung in der Krise machen!“, verspricht stattdessen Spitzenkandidatin Kaußen. Und auch die Parteivorsitzende Wissler denkt noch nicht ans Aufgeben: „Der Einzug in den Landtag ist möglich und wir kämpfen um jede Stimme.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen