Die Kulturszene in der Coronakrise: Mit Hashtags für mehr Sichtbarkeit
Die Initiative „Kulturgesichter030“ will Menschen hinter den Kulissen ein Gesicht verleihen – mit einer bundesweiten Porträtaktion.
An den Seiten des Columbia-Theaters, dort, wo sonst Plakate für kommende Events werben, spiegelt schwarze Schrift auf weißem Grund wider, was in den letzten Monaten notgedrungen zu Leitworten in der Kulturbranche geworden ist: „Abgesagt!“ und auf unbestimmte Zeit „Verschoben…“ wurde ein Großteil der Veranstaltungen seit der Ausbreitung des Coronavirus.
Keine Konzerte, kein Kino, keine Bühnen, keine Ausstellungen – was für den Rest der Bevölkerung ein Wermutstropfen ist, ist für Kulturschaffende in vielen Fällen existenzbedrohend.
Aufmerksam gemacht auf die prekäre Lage wurde bereits mit Aktionen wie #AlarmstufeRot und #SangundKlanglos, zu denen sich auch bekannte Künstler*innen wie der Jazzmusiker Till Brönner und die Komikerin Caroline Kebekus öffentlich äußerten. Nun soll ein Projekt auch denjenigen Menschen ein Gesicht geben, die sonst vor allem im Hintergrund agieren.
„Uns geht es darum zu zeigen, wie vielseitig die Kulturszene in Deutschland ist, welche Berufsgruppen darunter fallen und wer die Menschen sind, die aktiv von der Pandemie und ihren Folgen betroffen sind“, sagt Falco Eckhoff, Produktionsleiter, Tourmanager und Mitglied der Initiative „Kulturgesichter030“.
#ohneunswirdsstill
Mit Kolleg*innen aus der Branche hat er ein Fotoprojekt ermöglicht, das Sichtbarkeit schaffen soll. Bereits seit September tauchen unter dem Hashtag #ohneunswirdsstill immer wieder Schwarzweißporträts in den sozialen Medien auf. Initiiert wurde die Aktion durch Kulturschaffende in Stuttgart unter dem Namen „Kulturgesichter0711“ – Städte wie Chemnitz, Karlsruhe, Hannover und Mainz nahmen sich ein Beispiel und setzten das Projekt auf ihre Weise um.
Das nächste Shooting findet am 20. Januar 2021 statt. Informationen unter: kulturgesichter030.de
Seit Anfang Dezember sorgen Falco Eckhoff und seine Kolleg*innen für den visuellen Beitrag aus Berlin. An sechs Tagen konnten sich Kulturschaffende aus der ganzen Stadt für die Fotoshootings im Columbia-Theater anmelden. Darunter Musiker*innen, Booker*innen, Busfahrer*innen, Clubbetreiber*innen, Tresenkräfte und Techniker*innen – all jene, die „im Normalfall daran arbeiten, dass wir in Berlin so viel Kultur erleben können“, so die Initiator*innen.
Zu sehen sind die Porträts bereits auf Facebook, Twitter und Instagram, doch um auch außerhalb der Bubble sichtbar zu werden, ist eine Plakataktion geplant. Der Außenwerber Stadtkultur Berlin hat bereits zugesagt, kostenlose Werbeflächen zur Verfügung zu stellen – den Druck der Plakate versucht die Initiative über Spenden zu finanzieren.
„Bei der Kulturbranche handelt es sich nicht nur um den sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands – dahinter stehen auch Menschen, die ihre Jobs lieben und teilweise schon seit Jahrzehnten ausüben“, sagt Falco Eckhoff. Diese Einzelschicksale gelte es abzubilden. Deswegen stehe auf jedem Plakat neben Name und Berufsbezeichnung auch die Anzahl der Jahre, die die Personen bereits in der Kulturszene tätig sind.
Immer noch lebendig
34 Jahre sind es bei Lilo – 23 davon organisiert sie bereits Partys und Veranstaltungen im SO36. Ihr Kollege Chris ist seit 2001 in dem Kreuzberger Club als Lichttechniker und Ausbilder tätig. Beide sind gekommen, um Teil des Projekts zu sein. Sie rechneten nicht mit weitreichenden Konsequenzen, fänden die Aktion aber eine gute Idee, um Zusammenhalt zu symbolisieren und nach außen zu zeigen, dass man – auch wenn die Branche gerade brachliege – immer noch lebendig sei.
Konkrete Forderungen gebe es keine, sagt Falco Eckhoff, das sei bewusst so, darum bemühten sich andere Aktionen wie #Alarmstuferot, mit denen man auch zusammenarbeite: „Wir ergänzen das mit unserem künstlerischen Beitrag.“ Schön wäre es, Unterstützung für die Aktion zu bekommen – von größeren Agenturen beispielsweise.
„Insgesamt ist es uns aber vor allem ein Anliegen zu zeigen, dass wir alle voneinander abhängen.“ Durch fehlende Jobs und unzureichende staatliche Unterstützung würden sich gerade viele umorientieren, deren Erfahrung und Kompetenz später dann an dieser Stelle fehlen würden.