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Die Kapitänin Vier Zimmer, Küche, Boot: Seit zehn Jahren lebt Uta Eisenhardt schon mit ihrer Familie auf dem Hausboot in Alt-Stralau. Das Leben auf dem Fluss sei ein Symbol der Freiheit, sagt Eisenhardt. Nerven würden nur die vielen Behördengänge zur Sicherung des Liegeplatzes und die stinkenden Dieselschiffe an warmen Sommertagen„Manchmal scheintes, als säße man auf einer Art Pulverfass“

„Dieses Licht und die Vögel“, schwärmt Hausbootherrin Uta Eisenhardt von ihrem Leben auf dem Wasser, „das hätte ich früher von meiner Stadtwohnung aus überhaupt nicht bemerkt“

Interview Susanne MessmerFotos David Oliveira

taz: Uta, es kommt ja eher selten vor, dass wir so ein Gespräch unter Kollegen führen – du bist Gerichtsreporterin für die taz. Trotzdem wollen wir in deinem Fall eine Ausnahme machen – immerhin wohnt nicht jeder auf einem Hausboot und schreibt auch noch ein Buch darüber.

Uta Eisenhardt: Stimmt, die Kombination gab es bislang nicht.

Haben dir schon Menschen vor lauter Neid die Freundschaft aufgekündigt, nachdem du auf dieses Boot gezogen bist?

Nein, eher im Gegenteil. Alle wollen uns besuchen. Dabei kommen wir auch gern zu Besuch und lassen uns als Gäste verwöhnen!

Du beschreibst in deinem Buch, dass viele euer Boot hüten wollen, wenn ihr mal Urlaub macht.

Das stimmt. Aber nicht jeder ist zum Boatkeeper geboren. Das Leben auf dem Hausboot muss man entweder lernen, oder man bringt technisches Grundverständnis mit.

Inwiefern?

Man muss zum Beispiel wissen, dass man den Toaster nicht anschalten darf, wenn gleichzeitig die Waschmaschine läuft. Das schafft unsere Batterie nicht.

Ach ja?

Unser Schiff ist ­energieautark. Das heißt: Wir leben vom Strom, den wir mit Solarkollektoren, dem Windrad oder dem Blockheizkraftwerk gewinnen. Zu diesem Schritt hatten wir uns ­entschlossen, als wir 2006 an unseren Liegeplatz auf Alt-Stralau zogen, an dem es keinen Landstromanschluss gab. Niemand hätte es damals für möglich gehalten, dass wir es wirklich schaffen, energetisch autark zu leben.

Ihr habt es geschafft …

Ja, haben wir. Außer wenn man den Toaster und die Waschmaschine gleichzeitig anschaltet. Oder den Fernseher und den Trockner, das geht auch nicht. (großes Gelächter)

Du hast einen Trockner?

Ja, aber darum musste ich lange bei meinem Mann Felix betteln.

Gibt es irgendetwas, was du hier entbehrst?

Gar nicht. Schau dir doch nur einmal dieses Licht über dem Wasser an. Es ist zwar noch kalt draußen, aber das Licht ist schon sehr frühlingshaft. Und die Vögel sind auch ganz schön beschäftigt. Das hätte ich früher von meiner Stadtwohnung aus überhaupt nicht bemerkt. Wenn ich vom Gericht nach Hause komme, ist das immer was ganz Besonderes. Vor allem im Sommer versuche ich es immer so einzurichten, dass ich noch die letzte Abendsonne auf der Terrasse genießen kann.

Wo bist du aufgewachsen?

Im Berliner Stadtteil Buch, im Plattenbau. Allerdings nicht im Hochhaus, sondern in einem Fünfgeschosser.

Ist das der Grund dafür, dass du jetzt so ein Kontrastprogramm lebst?

Das hat nichts damit zu tun. Ich hatte das überhaupt nicht auf dem Schirm, dass man auch auf einem Schiff leben könnte. Aber bei Felix, meinem segelverrückten Mann, war das eben so.

Uta Eisenhardt

Der Mensch: Uta Eisenhardt, geboren 1968 in Buch, lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern auf dem Hausboot „Helene“, mitten in Berlin. Als Gerichtsjournalistin schreibt sie unter anderem für die taz und den Stern, zudem ist sie Buchautorin. Ihr persönliches Abenteuer Hausboot wurde im Sommer 2004 als Doku-Serie auf Pro7 in der Sendung „Avenzio“ begleitet und umfasste drei Staffeln.

Das Buch: In ihrem Buch „Vier Zimmer Küche Boot“ (Delius Klasing Verlag, 320 Seiten, 22,90 Euro) beschreibt Uta Eisenhardt, wie sie und ihre Familie zum Hausboot „Helene“ kamen, wie sie es renovierten und was sie alles Schönes, Skurriles, Abenteuerliches und manchmal auch Unheimliches in den mehr als zehn Jahren mit „Helene“ erleben durften: Es geht um die Überführung nach Berlin, den ersten, eisigen Winter, Schatzsuchen, seltsame Besuche – und um unvergleichliche Sommerabende auf „Helenes“ Terrasse. (sm)

Wo habt ihr früher gewohnt?

In einer sehr schönen Dachgeschosswohnung in Mitte. Von unserer Terrasse aus schaute man über den Mariannenplatz, auf grüne Bäume und die Thomaskirche. Aber die Wohnung wurde uns allmählich zu klein.

Und seit wann lebt ihr hier noch mal?

Also, auf diesem Hausboot seit 2004. Und an dieser Stelle, auf Alt-Stralau, seit 2006.

Zuerst hattet ihr eine Liegestelle im Osthafen, richtig?

Dort hatten wir einen sehr urbanen Blick: Auf die Oberbaumbrücke, die Molecule Men, das war auch großartig. Aber dann kam die Kündigung des Liegeplatzes. Das war ein harter Schlag, wir haben viele Gespräche mit Behörden geführt, bis wir auf Alt-Stralau anlegen durften. Man muss verhandeln, das ist schwierig. Wir sehen den Liegeplatz auch nicht als sicher an, manchmal scheint es, als säße man auf einer Art Pulverfass.

So schlimm?

Wir entrichten jeden Januar die Gebühr für den Liegeplatz, und rein theoretisch könnte dieser immer gekündigt werden. Wir rechnen zwar nicht damit – aber wer weiß, wem wir ein Dorn im Auge sind? Ich meine: Es ist ja schon ein großer Kon­trast an dieser Stelle. Unser Hausboot, das Symbol für Freiheit schlechthin. Und direkt dahinter: die neuen, hochpreisigen Wohnungen und Town Houses in Alt-Stralau.

Und wie kommt ihr mit den neuen Nachbarn klar?

Es gibt schon Nachbarn, die man kennt. Bei der Weltmeisterschaft 2014 haben wir uns zu einer Hausgemeinschaft dazugesellt, mit der wir ein Spiel angeschaut haben und die uns auch mit gegrilltem Fleisch bewirtet hat. Einmal hat mich auch ein Nachbar angesprochen und mir gebeichtet, wie neidisch er auf unsere Wohnform sei. Er wohne nur in so einem normalen Town House. Das hat mich sehr gerührt. Ansonsten scheint die Fluktuation hier recht hoch zu sein, oft sieht man Umzugswagen. Ich glaube, hier wohnen viele Diplomaten.

Also ist es doch auch ein bisschen einsam hier?

Nein. Aber wir betrachten vor allem die Bewohner der umliegenden Hausboote als unsere Nachbarn. Im Treptower Hafen liegen zwei Hausboote, mit deren Bewohnern wir befreundet sind. Und dann kennen wir noch Hausbootbewohner in der Rummelsburger Bucht, mit denen wir eng verbandelt sind: Dort geht Felix immer fachsimpeln.

Wie ist das eigentlich: Was macht hier dein Zuhause aus – ist es das Boot oder die Umgebung?

Es ist beides. Am Boot hängen wir natürlich unbedingt, weil man ja auch nie aufhört, daran zu arbeiten. Aber den Ort hier lieben wir auch. Die viele Natur, die Bäume. Auch wenn es im Sommer manchmal auf dem Wasser sehr laut ist. Das kann man sich im Moment gar nicht vorstellen, wie es hier an einem Sommerwochenende zugeht. Wenn die Motorbootfahrer mit ihren Blondinen vorbeisausen. Oder Schiffe mit alten Dieselmotoren die Luft verpesten. Da denkt man manchmal schon, wenn man mit offenem Fenster im Bett liegt: Ich werde vergiftet!

Dein schlimmstes Erlebnis auf dem Boot?

Ich musste mal in der Werft den Schmutzwassertank reinigen. Ich zog meinen alten Bikini an, kroch bei sengender Hitze über die Spanten in den Bauch des Schiffes und entfernte die stinkenden schlammigen Reste aus dem Tank. Das war kein Spaß.

Du beschreibst in deinem Buch den Besuch eines selbst ernannten Hausbootschamanen, der einiges auf eurem Schiff kaputt gemacht hat.

Ja, das war bedrohlich. Er war dreimal da, zerschnitt eine Plane und zerstörte ein Fenster beim Versuch, reinzukommen. Aber im letzten Jahr ist er zum Glück nicht mehr gekommen. Vielleicht befindet er sich gerade in Behandlung?

„Ich verstehe nicht, warum es in Berlin, in dieser Wasserstadt, insgesamt nur 70 Hausboote gibt“

Dein schönstes Erlebnis auf dem Boot?

Im letzten Sommer, als es so heiß war, kam mein Bruder mit einem Freund vorbei. Wir haben uns einfach jeder einen Rettungsring geschnappt, unter den Hintern geschoben und uns auf der Spree treiben lassen. Mein Bruder ist Comedian, außerdem hatte er blendende Laune an diesem Tag. Zu dritt haben wir unheimlich viel gelacht. Das war so ein Moment.

Kann man denn gleich hier ohne Bedenken schwimmen gehen?

Hier geht es. Auch im Winter ist das Wasser ganz klar, wir können mindestens zwei Meter tief gucken. Damals im Osthafen wäre ich nie ins Wasser gegangen. Es gibt ja bei Regen Probleme mit der Aufnahme des Schmutzwassers, das in Höhe der Oberbaumbrücke in die Spree geleitet wird.

Die Mieten in Berlin steigen. Wäre da ein Hausboot nicht für viele Menschen eine Alternative?

Ich verstehe auch nicht, warum es in Berlin, in dieser Wasserstadt, insgesamt nur 70 Hausboote gibt. Man kriegt ja mit Sorge mit, wie sich der Wohnungsmarkt entwickelt. Die einzige Lösung sind alternative Wohnformen, mit denen man den konventionellen Markt verlassen kann.

Ihr habt hier ganz schön viel Platz …

Das Schiff nimmt auf dem ­Wasser 150 Quadratmeter ein, die Wohnfläche schätzen wir auf 120 Quadratmeter. Vier Zimmer, Küche, Bad.

Was kostet so ein Boot?

Die Anschaffung ist das Geringste. Wir haben damals 12.000 Euro dafür bezahlt.

Und dann, wie du schreibst, weitere 40.000 Euro reingesteckt.

Ja, das hatten wir uns am Anfang so vorgestellt. Aber dabei ist es natürlich nicht geblieben. Inzwischen haben wir ausgerechnet, dass wir im Laufe der Zeit etwa bei 200.000 Euro gelandet sind.

So viel?

Das Teuerste ist die Instandhaltung. Je nach Zustand des Bootes muss man alle drei, sechs oder zehn Jahre in die Werft mit dem Boot – zum TÜV. Und da können auch schnell mal 10.000 Euro fällig werden.

Und sonst?

Die größten Posten sind neben Heizöl, Wasser und Gas 1.500 Euro Wasserpacht im Jahr, 1.500 Euro Versicherung im Jahr und die Abwasserentsorgung. Die ist recht teuer.

Also muss man selbst für ­dieses alternative, romantische Leben ganz schön viel Geld mitbringen?

Ich würde sagen, wir hätten uns auch eine Eigentumswohnung zulegen können. Allerdings eine günstigere Eigentumswohnung, eher eine am Stadtrand als hier auf Alt-Stralau.

Wie bist du eigentlich darauf gekommen, ein Buch über euer Leben auf dem Hausboot zu schreiben?

Ich wollte das erst gar nicht. Dieser ganze Kampf mit den Behörden hat mich so geprägt, dass ich Angst hatte, ich könnte denen mit einem Buch zu viel Angriffsfläche bieten. Aber ­Felix hat mich immer wieder gefragt. Er ist wahnsinnig beharrlich. Also habe ich mal ein paar Kapitel geschrieben, um zu sehen, wie sich das anfühlt. Es gefiel mir, also habe ich weitergemacht.

Wie stellst du dir deine Leser vor, wer kauft sich ein ganzes Buch über das Leben auf dem Hausboot?

Im ersten Moment dachte ich, das sind Leute, die das nachmachen und auch ein Hausboot kaufen wollen. Aber im Laufe des Schreibens und bei all den Gesprächen, die ich über das Hausboot führte, merkte ich, dass sich dafür auch Leute interessieren, die gar keinen Bezug zum Wasser haben und sich das Leben auf dem Boot für sich selbst gar nicht wünschen, aber trotzdem darüber lesen wollen – stellvertretend sozusagen.

Wie würdest du den Menschenschlag beschreiben, der auf Hausbooten lebt?

Es sind schon Leute, die ihr Schicksal selber in die Hand nehmen wollen. Nicht unbedingt Aussteiger, aber doch recht selbständige Leute. Oft sind es Männer, die aufs Hausboot wollen, wo es dann darauf ankommt, ob die Frau mitzieht. Aber es gibt auch Frauen, die die Initiative ergreifen und ihren Freund an die Hand nehmen – so wie meine Freundin Sylvi, die ich auch in meinem Buch erwähne.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr mobiler lebt als andere Menschen?

Uta Eisenhardt über ihr Zuhause: „Wir lieben den Ort hier, auch wenn es im Sommer manchmal sehr laut ist. Wenn die Motorbootfahrer mit ihren Blondinen vorbeisausen oder Schiffe mit alten Dieselmotoren“

Ich bin mit diesem Ort schon sehr verwurzelt. Es ist cool, dass man mit dem Boot theoretisch einen Umzug in einer halben Stunde erledigen könnte – andererseits ist das Mobile auch eine Gefahr. Man kann immer verjagt werden.

Könntet ihr mit dem Boot in den Urlaub fahren?

Das Boot hat keinen eigenen Motor. Es hatte auch nie einen. Es wurde in der DDR als Wohnschiff für Bauarbeiter konzipiert. Ein Motor würde unheimlich viel Platz wegnehmen und wäre auch teuer in der Wartung. Für einen Urlaub mit unserem Hausboot müssten wir zudem extra ein Schubschiff organisieren. Felix hat inzwischen die Matrosenausbildung, aber trotzdem müsste man zusätzlich auch noch einen Schiffsführer engagieren. Das alles würde die Sache wahrscheinlich viel zu teuer machen.

Findet ihr es nicht manchmal langweilig, immer am selben Ort zu liegen?

Wir hatten mal ein Beiboot, um uns auf der Spree zu bewegen. Das war zunächst sehr interessant, da sind wir spreeaufwärts und -abwärts gefahren. Einmal sogar zum Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt. Da mussten wir nur aussteigen und waren da, das war herrlich. Aber bald wurde uns das Boot im wahrsten Sinne des Wortes zu stinkend. Es hatte einen sehr alten und sehr lauten Dieselmotor. Man hätte es zum Solarboot umrüsten können, aber wir haben es wieder verkauft.

In Brandenburg an der Havel kann man Hausboote mit Motor mieten, wäre das was für euch?

Ich kenne viele Menschen, die das gemacht haben und hinterher wild entschlossen waren, ein eigenes Hausboot zu kaufen. ­Felix macht gern Segelurlaub, nur werde ich ziemlich schnell seekrank.

Aber doch nicht auf dem Hausboot, oder?

Nein, das Boot schaukelt kaum.

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