Die EU im Handelskonflikt mit den USA: Defensiv und gesprächsbereit
Im Zollstreit mit den USA verkündet die EU vorsichtige Gegenmaßnahmen und den Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung. China hingegen bleibt hart.

Auch die EU hat Gegenmaßnahmen verhängt. Sie sollen am 15. April in Kraft treten, betreffen aber noch nicht die neuen pauschalen US-Zölle. Vielmehr berieten die EU-Staaten am Mittwoch in Brüssel über die erste Reaktion auf die Zölle auf Stahl und Aluminium, die Washington bereits im März verhängt hatte.
Dabei wurde ein defensives und schrittweises Vorgehen vereinbart. So will die EU nun doch keinen Strafzoll auf Bourbon-Whiskey erheben. US-Präsident Donald Trump hatte in diesem Fall mit einem Aufschlag von 200 Prozent für Wein und Spirituosen aus Europa gedroht. Frankreich, Italien und Irland sind daraufhin eingeknickt.
Außerdem hat die EU das Gesamtvolumen der Gegenmaßnahmen verringert und ihre Umsetzung weiter hinausgezögert. Geplant war ursprünglich, Gegenzölle im Wert von 26 Milliarden Euro zu verhängen – also genauso hart zuzuschlagen wie die USA. Zuletzt waren aber nur US-Waren im Wert von 22 Milliarden Euro im Gespräch.
Wie ein Gemischtwarenladen: die EU-Strafliste
Diskutiert wurde bis zuletzt über die Frage, welche Aufschläge wann in Kraft treten sollen. So könnten Mandeln und Sojabohnen aus den USA nicht sofort, sondern erst ab Dezember mit einem Sonderzoll von 25 Prozent belegt werden. Auch andere Gegenmaßnahmen sollen erst nach und nach umgesetzt werden, hieß es.
Auf der am Mittwoch beschlossenen Liste stehen Harley-Davidson-Motorräder und Jeans. Ihre Einfuhr war schon beim Zollstreit in Trumps erster Amtszeit mit Abgaben belegt worden. Neu hinzugekommen sind Produkte, die für Trumps Wähler wichtig sind. Zölle auf Rindfleisch und Geflügel sollen Nebraska und Kansas treffen; bei Holz geht es um Georgia, Virginia und Alabama.
Insgesamt macht die EU-Strafliste den Eindruck eines Gemischtwarenladens. Neben den genannten US-Produkten wurden in ersten Entwürfen auch Spielkarten, Orangensaft und Zigaretten erwähnt. Sogar Schlauchboote, Lippenstifte und Eyeliner könnten teurer werden, wenn die Aufschläge von 10 bis 25 Prozent in Kraft treten.
Die EU hatte offenbar Mühe, passende Produkte zu finden, die die US-Wirtschaft treffen, zugleich aber leicht ersetzt werden können. Zusätzlich erschwert wurde die Diskussion durch den Wunsch, die Tür für mögliche Verhandlungen mit Trump offenzuhalten. Deshalb hat die EU ihre Reaktion auch abgeschwächt.
Von der Leyen will weitere Eskalation verhindern
„Diese Gegenmaßnahmen können jederzeit ausgesetzt werden, wenn die USA einem fairen und ausgewogenen Verhandlungsergebnis zustimmen“, betonte die EU-Kommission. Man ziehe es „eindeutig vor, mit den USA eine ausgewogene und für beide Seiten vorteilhafte Verhandlungslösung zu finden“.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den USA bereits zu Beginn des Handelsstreits angeboten, alle Zölle auf Industriegüter aufzuheben. Trump hat dies jedoch abgelehnt und gefordert, die EU solle mehr Flüssiggas und Öl in den USA kaufen. Dies weist jedoch Brüssel zurück.
Nun ist unklar, wie es weitergeht. Eigentlich wäre eine Reaktion auf die neuen „pauschalen“ US-Zölle fällig, die am Mittwoch in Kraft getreten sind. Sie treffen europäische Waren im Wert von mehr als 370 Milliarden Euro – also mehr als zehnmal so viel wie die zuletzt diskutierten Stahl- und Aluminiumzölle.
Mit einer Antwort will sich die EU aber noch Zeit lassen; sie dürfte einige Wochen in Anspruch nehmen. Von der Leyen wolle sich nicht mit Trump anlegen, hieß es in Brüssel. Umso deutlicher wurde sie in einem Telefonat mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang. Eine weitere Eskalation müsse verhindert werden, sagte sie.
China will bei der Welthandelsorganisation klagen
Nach Angaben ihres Büros hob von der Leyen auch Chinas „wichtige Rolle beim Vorgehen gegen mögliche Handels-Umlenkungen“ hervor. Die EU befürchtet, dass Peking die von den USA mit Zöllen belegten Exporte künftig nach Europa umleiten könnte. Dies würde zu zusätzlichen Problemen für die europäische Wirtschaft führen.
China ist verglichen mit anderen Ländern, die mit den USA Handel betreiben, von besonders hohen Zöllen betroffen. Die chinesischen Behörden teilten am Mittwoch mit, eine weitere Klage gegen die US-Zölle bei der Welthandelsorganisation einzureichen.
Auch wurden sechs weitere US-Unternehmen auf Chinas Liste für sogenannte unzuverlässige Entitäten gesetzt, was ihre Geschäftstätigkeit in der Volksrepublik einschränkt. Zwölf US-Firmen wurden auf eine Exportkontrollliste gesetzt.
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