Die Datenschnüffler vom BND: Inszenierte Sicherheit
Auch der BND überwacht die internationale Kommunikation, vom Auftrag her ähnlich wie die US-Amerikaner. Doch wohl eher harm- und hilflos.
FREIBURG taz | Europa muss sich schützen – gegen die Anmaßung der US-Geheimdienste, die weltweit den Telefon- und Mailverkehr überwachen und auswerten. So sahen das viele in Deutschland, als jüngst das Überwachungsprogramm des US-Geheimdienstes NSA bekannt wurde. Allerdings ist die Überwachung internationaler Kommunikation keine Spezialität der Amerikaner.
Auch der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) betreibt internationale Fernmeldeüberwachung – und zwar nicht erst seit Kurzem, sondern mindestens seit 1968. Damals erhielt der BND die Befugnis zur strategischen Aufklärung.
Systematisch sollte er den internationalen Telefon- und Fernschreibverkehr überprüfen, um Hinweise auf einen bewaffneten Angriff auf die Bundesrepublik zu finden. Damals herrschte noch Kalter Krieg mit dem Ostblock.
Das Konzept der Überwachung ist bis heute dasselbe: Ein möglichst hoher Teil der Kommunikation von und nach Deutschland wird vom BND gescannt. Dabei prüft der Geheimdienst eine Nachricht immer dann, wenn ein verdächtiger ausländischer Anschluss beteiligt ist – oder wenn ein verdächtiges Wort wie „Sprengstoff“ benutzt wird.
Doch dann verschwand der Ostblock. Allerdings wurde das internationale Schnüffelprogramm nicht etwa eingestellt, sondern sogar noch ausgeweitet. Ab 1994 sollte der BND auch Hinweise auf terroristische Anschläge, Drogen- und Waffenhandel sowie Geldfälschung finden.
Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. Juni 2013. Darin außerdem: „Das ist die Lösung!" Es gibt viele Ideen für eine bessere Welt. Man muss sie nur suchen – und aufschreiben. Ein Spezial der taz und 21 weiterer Zeitungen. Die Transsexuelle Jane Thomas und ihre älteste Tochter über die CSU und Familie. Und: Der Gezi-Park ist geräumt, aber der Protest geht schweigend weiter. Aus alten Feinden sind neue Freunde geworden. Unterwegs mit den Fußballfans von Besiktas Istanbul. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Die Suchworte wurden entsprechend angepasst, die Listen umfassten jetzt einige tausend Begriffe. Die dabei gewonnenen Informationen sollten nicht nur an die Bundesregierung gehen, sondern auch an den Verfassungsschutz und die Polizei.
Das führte zu großer Empörung. Der Hamburger Strafrechtsprofessor Michael Köhler warnte vor einer „justizfreien Bundesgeheimpolizei“ und sprach von einem „Verfassungsumsturz“. Neben Köhler klagte in Karlsruhe auch die taz, die die Pressefreiheit bedroht sah.
Informanten im Ausland würden nicht mehr mit deutschen Journalisten telefonieren, warnte taz-Anwalt Johnny Eisenberg, wenn sie wissen, dass schon das Benutzen bestimmter Worte zum Abhören des Gesprächs führen kann.
Ende 1998 verhandelte das Bundesverfassungsgericht zwei Tage lang über den sogenannten Staubsauger im Äther. Der BND sprach offen wie nie zuvor über das Programm. Dabei räumte BND-Präsident August Hanning ein, dass die strategische Überwachung weit weniger leistungsfähig war, als bis dahin angenommen.
So konnten damals nur Telexe (eine aussterbende Technik) nach Suchworten gescannt werden, nicht aber Telefonate, weil die Spracherkennung noch in den Kinderschuhen steckte. Außerdem war nur die Überwachung der Satellitenkommunikation erlaubt, betonte Hanning, und nicht die Kontrolle des viel wichtigeren Datenverkehrs per Kupfer- und Glasfaserkabel – der 90 Prozent ausmachte.
Ein hoher BND-Beamter brachte es auf den Punkt: „Ein Treffer ist hier wie ein Sechser im Lotto.“
Das Karlsruher Urteil fiel milde aus. Auch mit den neuen Aufgaben sei die strategische Fernmeldeaufklärung des BND verfassungskonform, denn es gehe um den Schutz „hochrangiger Gemeinschaftsgüter.“ Die Klage der taz hatte also keinen Erfolg.
Ein Fünftel ist erlaubt
Zwei Jahre später, 2001, wurde die BND-Überwachung dann erneut ausgeweitet. Seitdem wird auch der E-Mail-Verkehr von und nach Deutschland kontrolliert. Außerdem können jetzt auch die Kabelverbindungen überwacht werden. Als Ausgleich setzte der Bundestag eine neue Grenze: Maximal 20 Prozent der internationalen Kommunikation darf der BND überprüfen – tatsächlich schafft er aber gerade mal 5 Prozent.
Dann hörte man lange nichts mehr von der strategischen Aufklärung – bis Anfang 2012 die Bild-Zeitung Alarm schlug. Im Jahr 2010 habe der BND rund 37 Millionen E-Mails kontrolliert
. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass der Geheimdienst nur ein Opfer der Spamflut wurde. Millionen Mails enthalten zwar spannende Begriffe, auf die die BND-Überwachungssoftware anspringt, doch das Gros der Mails besteht nur aus Viagra-Werbung und Ähnlichem.
Im letzten Bericht des Bundestags sind die Überwachungs-Zahlen wieder etwas zurückgegangen. Nur noch 2,83 Millionen Mails wurden beim BND als Treffer registriert, die Spamfilter wirken also besser. Allerdings waren nur 290 Treffer tatsächlich nachrichtendienstlich relevant, die Spamquote bei den Treffern liegt damit immer noch bei 99,9 Prozent.
Strategische Aufklärung
Gibt es wenigstens ab und zu einen Erfolg zu vermelden? Hier hält sich die Bundesregierung eher bedeckt. Auf Anfrage der Linken verwies sie Ende 2012 darauf, dass es hier ja nur um „strategische“ Aufklärung gehe und nicht um die Lösung konkreter Fälle.
Vor einer Woche erweckte der Spiegel den Eindruck, die Internetüberwachung des BND solle nun massiv ausgebaut werden. Von 100 Millionen Euro war die Rede. Doch die Bundesregierung widersprach der Summe und dem angeblichen Ziel vehement. Die Umschichtung von BND-Ressourcen diene nicht der inhaltlichen Kontrolle des E-Mail-Verkehrs, sondern der Abwehr von Hackerattacken auf deutsche Infrastruktur, also etwas ganz anderem.
So gesehen wirkt das strategische Überwachungsprogramm des BND doch relativ harm- und hilflos – im Vergleich zu dem, was man aus den USA hört. Andererseits ist bisher auch noch lange nicht geklärt, wie viel Kommunikation die amerikanische NSA tatsächlich kontrolliert, auswertet und speichert.
Vielleicht ist sie wirklich viel mächtiger als der BND. Vielleicht wird Sicherheit aber auch in den USA vor allem inszeniert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste