Die AfD im Bundestag: Welche Netzwerke werden gestärkt?
Einige hundert Arbeitsplätze richtet die AfD im Bundestag ein. Die taz hat recherchiert, wer für die Partei arbeitet.
Es war zu erwarten. Und doch ein Schock. Bei der Bundestagswahl am 24. September holte die AfD 12,6 Prozent der Stimmen. Erstmals seit 1961 sitzt eine Partei rechts von der Union im Parlament – mit 92 Abgeordneten. Jedem vom ihnen stehen monatlich 20.870 Euro für persönliche MitarbeiterInnen zu, dazu kommen Mittel für die Fraktion. Hier will die AfD allein 150 Stellen schaffen. Insgesamt ergibt das mehrere hundert Arbeitsplätze – ein Stellenmarkt für rechtes Personal, das im Bundestag Zugang zu Ressourcen und mitunter sensiblen Informationen erhält.
Die Erfahrung aus den Landtagen hat gezeigt, dass die AfD ihre MitarbeiterInnen gerne in rechten Netzwerken rekrutiert. Anders als andere Fraktionen hält sie sich in der Regel sehr bedeckt, was ihre Auswahl angeht. Weil in der AfD aber die Grenze zwischen Demokraten und Extremisten immer mehr verschwimmt und in der Politik zunehmend darüber diskutiert wird, ob die Partei oder Teile von ihr vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollen, ist wichtig zu wissen, wer für sie arbeitet. Gerade im Bundestag.
Wen also stellt die AfD im Bundestag ein? Welche Netzwerke werden gestärkt? Was daran ist rechtsextrem und verfassungsfeindlich? Welche Grenzen fallen? Diesen Fragen ist ein Rechercheteam der taz in den letzten Monaten nachgegangen. Verstärkt haben uns MitarbeiterInnen der Zeitschrift der rechte rand und des apabiz, des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums in Berlin. Beide Organisationen haben jahrzehntelange Erfahrung mit Recherchen rechts außen. Finanziell unterstützt wurden wir von der Otto-Brenner-Stiftung.
Die Bundestagsverwaltung spricht von bislang 279 MitarbeiterInnen der AfD-Fraktion, doch hier sind noch nicht alle verzeichnet. Wir haben fast 350 Namen von MitarbeiterInnen recherchiert, die die AfD in Berlin und in Wahlkreisbüros beschäftigt.
Empfohlener externer Inhalt
Wir haben persönliche Gespräche geführt, Archive durchstöbert, soziale Netzwerke und Datenbanken durchforstet und die AfD im Einzelfall konfrontiert. Wir haben vieles gefunden: Von ehemaligen Mitgliedern der Piratenpartei bis zum überzeugten Rechtsextremisten; von Leuten, die vielleicht schlicht einen Job brauchten, bis zu denen, deren rechte Mission ihr Leben durchzieht.
Wir haben festgestellt: Bei der AfD im Bundestag arbeiten zahlreiche Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund. Viele kommen aber auch aus der gesellschaftlichen Mitte, aus konservativen Organisationen und Parteien. Sie waren bei der CDU oder der FDP angestellt, bei etablierten Medien, in der Wirtschaft, oder in der öffentlichen Verwaltung. Jetzt arbeiten sie gemeinsam mit radikalen Rechten für die AfD.
Es ist genau das, was die AfD so erfolgreich und gefährlich macht: Sie ist zum Scharnier zwischen rechts außen und bürgerlicher Mitte geworden – und nutzt dazu ganz gezielt die Ressourcen im Bundestag.
Das Netzwerk: Seit Oktober 2017 ist die AfD im Bundestag vertreten. Jedem ihrer Abgeordneten stehen pro Monat mehr als 20.000 Euro für Mitarbeiter zu, dazu kommen kommen Mittel für die 150 Personalstellen der Fraktion. Ein rechtes Netzwerk erhält Zugang zu enormen Ressourcen und sensiblen Informationen. Die Fraktion wird zum Scharnier zwischen extremer Rechter und der bürgerlichen Mitte.
Die Kooperation: Die taz, die Zeitschrift Der Rechte Rand und das antifaschistische Archiv apabiz haben seit Dezember die Hintergründe der MitarbeiterInnen und Abgeordneten recherchiert. Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln der Otto-Brenner-Stiftung.
Eine umfassende, interaktive Dokumentation finden Sie unter www.taz.de/NetzwerkAfD. Dort sind unsere gesamten Ergebnisse visuell aufbereitet. Außerdem werden Artikel, die Einzelaspekte vertiefen, in den nächsten Tagen erscheinen – in der gedruckten taz und auf taz.de.
Uns geht es vor allem darum, die entstehenden Strukturen und Netzwerke aufzuzeigen. Deshalb werden die allermeisten Mitarbeiter nicht namentlich genannt. Bei manchen ist der Nachname abgekürzt, um ihre Persönlichkeitsrechte zu wahren. Wir haben so umfassend und gewissenhaft recherchiert, wie wir konnten. Die Fälle, bei denen wir uns nicht sicher waren, tauchen in den Statistiken und Grafiken nicht auf. Über neue Hinweise freuen wir uns: Sie können uns unter der Mailadresse netzwerkafd@taz.de kontaktieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag