Die Adventskalender werden immer dicker: Jedem Türchen sein Pläsürchen
Schokolade war gestern. Längst gibt es Adventskalender in allen Ausführungen. Vom Craft-Beer über Angelzubehör und Würste bis zum Katzenfutter.
U nd, was war bei Ihnen hinter dem ersten Türchen? Bei mir waren es kleine Häuser. Oder so was Ähnliches, denn ich habe einen Postkarten-Adventskalender in Hundertwasser-Lookalike-Optik und die Türchen sind nur fingernagelgroß. Meine Mutter hat ihn mir mit der Briefpost geschickt, sie macht das seit mehr als zwanzig Jahren, eine schöne Tradition.
Derart traditionell aufgestellt, denke ich bei nicht selbst gebastelten Adventskalendern bis heute an flache Gebilde, hinter deren Türen sich Bilder oder Schokoladentäfelchen befinden. Dabei sind die Kalender längst fett geworden. Wann? Keine Ahnung, vielleicht zur gleichen Zeit, als sich die Kindermagazine am Kiosk von zweidimensional (ein buntes Heft aus Papier) zu dreidimensional (ein buntes Heft, darauf ein Plastikspielzeug) aufblähten. Vielleicht schon früher. Unzweifelhaft aber sind sie es, koffergroß stapeln sich die Kalender im Supermarkt, gefüllt mit Überraschungseiern, Haribo-Tütchen oder Marzipanbroten.
Bei Süßigkeiten bleibt es natürlich nicht. So gibt es zum Beispiel, passend fürs taz-Milieu, auch Tee-Adventskalender, jeden Tag ein Beutel. Durst bekommen? Dann ist der Craft-Beer-Adventskalender vielleicht das Richtige, mit 24 Flaschen und einem Glas, oder vielleicht lieber gleich die Whisky-Variante für den guten Start in den Tag.
Andere Kalender sind gefüllt mit Gewürzmischungen, Legofiguren, Wurstsorten, Angelzubehör, Knete, Porridge, Fisherman’s Friends, Pringles, CBD-Produkten und, und, und, dazu kommen die drölftausend Varianten mit Kosmetika und Pflegeprodukten. Es gibt auch Kalender für Heimwerker:innen (hinter jedem Türchen ein Akkuschrauber-Bitaufsatz), für Katzen (jeden Tag ein Leckerli), ja sogar für Männer (Sekundenkleber, Mini-Wasserwaage, Rasiergel usw.).
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Die Preise für diese XXL-Kalender sind dabei gern mal dreistellig, aber: Man spart ja noch viel mehr! An zahlreichen Stellen im Internet wird schnäppchengeilen Kunden vorgerechnet, wie hoch bei einzelnen Kalendern die Differenz vom Preis zum Einzelwarenwert der 24 Inhalte ist. Für die Hersteller rentiert es sich natürlich trotzdem. Denn so ein Adventskalender ist als Abwurfstation für Produktsamples ein ganz hervorragendes Kundenbindungs- und Bedürfnisweckungstool.
War das jetzt zu viel turbokapitalistischer Firlefanz? Fehlt Ihnen irgendwie die Besinnlichkeit? Kein Problem. Da empfiehlt sich, je nach Typ, ein Erotik-Adventskalender („Toys, Stimulierendes, Body & Care & Soft-Bondage“) oder der Kalender „Achtsamkeit im Advent“ („24 kleine Impulse und Übungen“). Ich wünsche eine gnadenbringende Vorweihnachtszeit!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“