Deutschlandtakt der Bahn: Finanzierung ist noch ungewiss
Ab 2021 sollen die Anschlüsse im Bahnverkehr besser werden. Aber die Bundeszuschüsse für den Ausbau der Infrastruktur reichen nicht aus.
Das feierte die Branche beim „Schienengipfel“ an diesem Mittwoch im Verkehrsministerium. „Wir wollen den Flugverkehr nach und nach zurückdrängen“, sagt etwa der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann. Minister Andreas Scheuer (CSU) erhofft sich einen „Wow-Effekt“, wenn das Bahnfahren endlich einmal reibungslos funktioniert.
Die aktuelle Planung des Netzes nährt solche Hoffnungen. Zwischen den großen Knotenbahnhöfen werden Hochgeschwindigkeitszüge mit 250 oder 300 Kilometer pro Stunde verkehren. Die optimierte Auslastung in Erfurt wird den Takt in Ostdeutschland vorgeben, in Mannheim für das Rhein-Main-Gebiet und den Südwesten. Der Ausbau in Köln erschließt Nordrhein-Westfalen. Die Neubaustrecke Würzburg–Nürnberg ermöglicht den Taktverkehr in Bayern.
Dazu werden Berlin und das Rheinland sowie Hamburg und Stuttgart per schnellem ICE verbunden. Die Fahrt von Bonn nach Berlin dauert dann nur noch vier Stunden. Ähnlich wie auf der Strecke von Berlin nach München wird die Bahn attraktiver sein als das Flugzeug. Ende dieses Jahres soll der Plan für den Takt fertig sein.
Die Digitalisierung kostet bis zu 30 Milliarden Euro
Allzu großer Jubel ist allerdings verfrüht. Denn viel mehr als ein Luftschloss hat der Verkehrsminister bislang nicht zu bieten. Die notwendige Finanzierung für den Ausbau der Infrastruktur ist nicht gesichert, wie die Experten einräumen. Allein die Digitalisierung der Strecken wird bis zu 30 Milliarden Euro kosten. Notwendig ist sie, um die Züge in engerer Zeitfolge zu fahren. Weitere Milliarden kommen durch die Ausbauten der Knotenbahnhöfe, den Kauf neuer Züge, die Sanierung von Brücken und Trassen hinzu.
Die jährlich für die Instandhaltung vorgesehenen Bundeszuschüsse in Höhe von fünf Milliarden Euro reichen dafür bei weitem nicht aus. „Wir haben in den letzten Jahren viele gute Absichtserklärungen gehört, jetzt geht es darum, die Absichten durch konkrete Finanzierungszusagen im Bundeshaushalt zu untermauern“, warnt Dirk Flege, Chef des Verbands Allianz pro Schiene, der unter anderem von Umweltorganisationen und Bahnunternehmen getragen wird.
Der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, hält dies für einen „Lackmustest, wie ernst es Scheuer mit den Ankündigungen meint“. Gastel fordert, dass auch die Mittel für den Netzausbau von derzeit 1,2 Milliarden Euro auf drei Milliarden Euro aufgestockt werden.
Ebenso ungewiss ist Scheuers Wunsch, die Mehrwertsteuer für Fernverkehrsfahrten von 19 Prozent auf 7 Prozent zu senken. Bislang hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) noch keinen Ehrgeiz an den Tag gelegt, für sinkende Ticketpreise zu sorgen. Noch an vielen anderen Stellen listet der Zwischenbericht des Zukunftsbündnis Schiene, in dem Bahnwirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenarbeiten, Handlungsbedarf auf. Selbst der Fachkräftemangel könnte die ambitionierten Taktpläne verhindern.
Schließlich deutet Ferlemann schon an, dass die Trassenkapazitäten auch bei allen Ausbauanstrengungen nicht für alle Anbieter im Nah-, Fern- und Güterverkehr reichen werden. Es müssten Entscheidungen in dieser Konkurrenz getroffen werden. „Im Herbst wird es eine Nacht der langen Messer geben“, ahnt der Schienenbeauftragte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione