Deutschlandtag der Jungen Union: Großes Schaulaufen
Beim Deutschlandtag der Jungen Union betreten vier mögliche Laschet-Nachfolger die Bühne. Zwei stechen besonders hervor.
Brinkhaus ist gerade als Fraktionschef der Union im Bundestag wiedergewählt worden, allerdings nur für ein halbes Jahr. Landet die Union, wie erwartet wird, in der Opposition, ist der Posten neben dem CDU-Vorsitz und dem Generalsekretär einer der wenigen wirklich einflussreichen, die zu vergeben sind. Brinkhaus ist einer der fünf Männer, die für die Spitzenjobs gehandelt werden. Alle fünf waren an diesem Wochenende bei der JU zu Gast, vier als Redner geladen. Nur Norbert Röttgen, dessen Anhängerschar bei der traditionell deutlich konservativen JU eher kleiner ist, sitzt am Samstag einfach nur da.
Es sind drei bemerkenswerte Tage, die die JU hier veranstaltet. Tage, in denen der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einer sehr selbstkritischen Rede der JU ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt, denn natürlich will diese mit Laschet und den beiden Parteien hart ins Gericht gehen.
In denen CSU-Chef Markus Söder Laschet endlich einmal unterstützt, indem er kurzfristig absagt und damit den Unmut der Delegierten auf sich zieht. In dem die JU hart austeilt, aber erstaunlich wenig Selbstkritik übt. Und in denen viel von Zusammenhalt, inhaltlicher sowie personeller Neuaufstellung die Rede ist, aber auch die Unsicherheit zutage tritt, wohin die Reise gehen soll.
Bei Merz funkt es nicht
Eine Klärung aber zumindest deutet sich an: Friedrich Merz scheinen im Jahr 2021 auch viele aus der JU nicht mehr für den richtigen Kandidaten für den CDU-Vorsitz zu halten. Merz, der 2018 nach dem Rückzug von Angela Merkel vom Parteivorsitz ein Polit-Comeback versuchte und bereits zweimal, allerdings nur knapp, im Kampf um den Parteivorsitz unterlag, durfte am Freitagabend den Auftakt machen.
Einzug mit Beats und Applaus, alles deutet darauf hin, dass nun ein Déjà-vu bevorsteht, die JU hatte Merz Ende vergangenen Jahres noch als Kandidaten unterstützt. Doch zwischen Merz und den Delegierten funkt es nicht. Merz springt von Punkt zu Punkt, ist mal bei dem Kölner Muezzinruf, mal bei den vermeintlich links-grünen Öffentlich-Rechtlichen, mal bei einem neuen Generationenvertrag, die CDU bezeichnete er als „insolvenzgefährdeten schweren Sanierungsfall“.
Schon bald fangen Delegierte das Plaudern an, dazu „kreisen“ Bierflaschen, wie Merz spitz bemerkt. Begeisterung ist im Saal nicht zu spüren. Als sich dann einer der Delegierten für die Problemanalyse bedankt, aber gern wissen möchte, wie denn Merz’ Lösungsvorschläge aussehen, reagiert dieser pikiert.
Möglicherweise schwant dem Nachwuchs jetzt, wo auch die eigene politische Zukunft auf dem Spiel steht, dass Merz doch eher ein Mann von gestern ist. „Friedrich Merz ist ein kluger Kopf, der sicherlich auch als Berater und als Unterstützer mit dabei sein kann“, wird Kuban später in einem Interview sagen. Soll in der Jungen Union wohl heißen: Als CDU-Chef sieht die JU Merz eher nicht. Schon begeisterter reagieren die Delegierten auf Gesundheitsminister Jens Spahn, der als zweiter der möglichen Kandidaten spricht.
Spahn ist mit seinen erst 41 Jahren und seinem konservativen Profil auch eine Art Alt-Hoffnung der JU. Doch seine strikte Coronapolitik hat so manchem der jungen Leute nicht gefallen. Spahn spricht von einem „beschissenen Wahlergebnis“, sagt aber auch, die CDU sei nicht erledigt. Er beklagt die Zerrissenheit der Partei, fordert bessere Debatten und möchte die Aussage „Das ist alternativlos“, die von Angela Merkel stammt, nie mehr auf einem Parteitag hören.
Ralph Brinkhaus, Fraktionschef über Ampelkoalition
Engagiert und deutlich klarer als andere Redner dekliniert er „Leitsätze“ durch – „wenn man nachts wach gemacht wird und sagen soll: Wofür steht die CDU?“ „Wer arbeitet, soll mehr haben“ sei so ein Satz. „Erwirtschaften kommt vor dem Verteilen“ ein anderer. Oder, dass die Familie Kern der Gesellschaft sei. All das gelte weiterhin für die CDU, müsse aber mit neuem Inhalt gefüllt werden. Die Parteijugend, die auf Suche nach Sinnstiftung ist, dankt ihm das mit viel Applaus.
Den meisten Zuspruch aber bekommt Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandvereinigung, der für seine Nähe zur FDP und als Bremser einer fortschrittlichen Klimapolitik bekannt ist. Die JU hat für Linnemann zwar keinen Redeslot wie für Merz, Spahn und Brinkhaus vorgesehen, doch er nutzt die zehn Minuten, die ihm „Der Pitch 2.0 – dein Plan für den Neuanfang“ bietet. Er spricht sich für eine Mitgliederbefragung beim Parteivorsitz aus, einen Herzenswunsch der JU. Auch fordert er von seiner Partei nicht nur mehr Debatte, sondern „auch die ganz heißen Eisen anzupacken“, wie Rente, Verbeamtungen und auch Migration.
Und Brinkhaus? Der hält eine Einpeitscherrede, in dem er vor allem gegen die Ampel schießt, die lange auf Rot und Grün, aber nur sehr wenige Sekunden auf Gelb stehe. „Das ist die strammste Linksagenda, die wir seit Jahrzehnten hatten.“ Es ist die Rede eines Oppositionsführers, die Brinkhaus da hält. Ganz klar: Zumindest diesen Posten reklamiert er auch in der Zukunft für sich. Das Herz der JU aber erobert Brinkhaus nicht. Auch weil er auf die Frage, was er von einer Mitgliederbefragung halte, trotz mehrerer Nachfragen partout nicht antworten will.
Am Ende beschwört Tilman Kuban noch einmal den Aufbruch, der von dem Deutschlandtag ausgehe. Auch wenn dieser nur bedingt ein Gradmesser für die CDU ist: Es kann gut sein, dass Jens Spahn und Carsten Linnemann dabei eine größere Rolle spielen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut