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Deutschlands WirtschaftsschwächeKaputtgespart

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Ja, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind schwierig. Das liegt auch an Versäumnissen der Vergangenheit.

Die Wirtschaftsschwäche liegt auch an der ausgedünnten Bürokratie Foto: Christian Charisius / dpa

W irtschaftlich sieht es für Deutschland schlecht aus. Die im internationalen Vergleich höheren Energiepreise bewegen zumindest einige Unternehmen dazu, ihre Fabriken zu verlagern. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass Unternehmen ihre Forschungszentren ins Ausland verlegen. Und ja: Auch die Verwaltung ist ein Problem. Damit hat CDU-Chef Friedrich Merz recht. Nur: All diese Versäumnisse sind nicht zuletzt auf die Politik seiner Partei zurückzuführen. Und leider scheint die Ampelkoalition, allen voran das FDP-geführte Finanzministerium, diese Politik fortzusetzen.

Dass Deutschland laut IWF als einziges unter den Industrieländern 2023 ein Minuswachstum verzeichnen wird, hat drei Gründe: Deutschland hat sich zu sehr auf günstiges russisches Gas verlassen. Umso teurer ist nun der LNG-Ersatz. Deutsche waren zudem zu exportfixiert: Großabnehmer China entkoppelt sich nun aber im Zuge der geopolitischen Konflikte vom Westen. Und das betrifft deutsche Unternehmen besonders hart. Vor allem aber: Der deutsche Staat hat seine Verwaltung kaputtgespart.

Es ist nicht so sehr die Bürokratie mit angeblich zu vielen Verwaltungsvorschriften, die für lange Wartezeiten bei Genehmigungen sorgt, sondern die personelle Unterausstattung. Zur Spardoktrin gehörte, 20 Jahre lang praktisch keinen Nachwuchs auszubilden. Die Lücken sind gewaltig. Viele Ämter ähneln einem Seniorenstift, weil ein Großteil der Belegschaft vor dem Ruhestand steht.

Der Investitionsbedarf ist gigantisch. Das Schienennetz ist marode, der öffentliche Wohnungsbau lahmt, der klimaresiliente Umbau der Städte läuft viel zu schleppend. Bildungs- und Technologieoffensiven könnten in konjunkturell schwierigen Zeiten für neuen Schub sorgen. Stattdessen will die Ampelregierung bei der Digitalisierung sparen.

US-Präsident Biden hat erkannt: Allein mit massiver staatlicher Unterstützung von Schlüsselindustrien wird sein Land mit der Konkurrenz aus Fernost mithalten. Nur Deutschland tut sich schwer mit Veränderungen.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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7 Kommentare

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  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Das ist aber nicht alleine Schuld von Angela Merkel.



    Das ist die Folge der sog "Schuldenbremse", die ja angeblich kommenden Generationen Schulden ersparen sollte. (so ging die Lüge jedenfalls)



    Da waren sich ALLE neoliberalen Parteien (evtl. außer der Linkspartei?) einig.

    Die "Schuldenbremse bewirkt jedoch das genaue Gegenteil: Jeder "eingesparte" Euro kostet die zukünftigen Generationen das 3-4fache.



    Wenn man dann überhaupt noch was retten kann.



    Die eingesparten Planstellen und kaputten Autobahnbrücken und maroden Schienennetze können ja leider nicht mal soeben neu besetzt, repariert oder enneuert werden



    Es fehlen ja Finanzmittel, Rohstoffe, Handwerker und Verwaltungsfachkräfte.

    Die Aufgabe ist unlösbar. Deutschland wird nicht nur im Fußball absteigen.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Das stimmt genau so. Schließlich lasse ich mein Haus auch nicht verkommen, sondern repariere das Dach oder die Fenster anstatt alles zerfallen zu lassen um dann einen Neubau zu errichten. Das aber macht man nur dann, wenn man an die Zukunft denkt und nicht nur populistisch an die nächste Landtags- oder Bundestagswahl...

  • Bei allem Respekt, Herr Lee. Sie scheinen nicht besonders viel Erfahrung in der realen Wirtschaft zu haben. In der Baubranche z.B. ist die Anzahl der Fortschriften und Genehmigungen in den letzten Jahren absolut explodiert. Natürlich fehlt es auch an Fachpersonal, aber ein erster Schritt wäre es radikal Vorschriften abzubauen.

    Allein in den letzten 5 Jahren hat sich die Anzahl der Vorschriften von 5.000 auf 20.000 verfierfacht. Etwas Recherche wäre gut gewesen



    (www.bayernkurier.d...re-genehmigungen/)

    • @Sybille Bergi:

      Vorschriften meine ich natürlich, da hat mich mein Handy ausgetrickst.

  • Frau M. hat verwaltet, sechzehn lange Jahre lang. Innovationen waren ihr fremd - und das als Naturwissenschaftlerin. Das Internet war Neuland, DLand Exportweltmeister und ansonsten pie-piep-piep, wir haben uns alle lieb.



    Die Bürokratie hat in den letzten Monaten allerdings zugenommen - ich könnte ein Lied davon singen. Wenn wir weeniger Verwaltungsmenschen haben, so schaffen es diese aber die bürokratischen Aufgaben von Firmen zu vervielfachen. Und das ist aktuell und nichts aus der CDU-Vergangenheit, die gerne mit der aktuellen größten Regierungspartei ein Zweckbündnis einging, das wollen wir bitte nicht vergessen. Diese führt viele Dinge weiter, baut es aus und die Reglungswut kommt auch aus anderen Ministerien.

  • Verwaltung kaputt gespart - kann ich für HH nicht bestätigen, dort arbeitet sie „perfekt“.



    Beispiele: saftiges Bußgeld, weil die Ummeldung eines Zweitwohnsitzes innerhalb des



    selben Stadtbezirkes nicht fristgerecht angezeigt wurde.



    Saftige Gebühr der Lichtbildauswertung durch Kampfmittelräumdienst für neuen



    Hausanschluß ans bestehende Gasnetz (4 m) in Strasse, wo nie eine Bombe gefallen ist



    und es bisher bei keinem der anderen Häuser bei dieser Maßnahme Probleme gab.



    Für jedes von 7 ausgewerteten Bildern wurde Gebühr berechnet, insgesamt. ca.



    2000 €.

    • @Hubertus Behr:

      Auf Grund der Tatsache, das Hamburg ein Bombenkrieg-Hotspot war, muss bei Tiefbau-Maßnahmen immer im Vorfeld vom KMR kontrolliert werden. Wenn man Pech hat und Luftbilder ausgewertet werden müssen, weil in dem Bereich in der Vergangenheit noch nie geprüft wurde (oder die letzten Prüfungen zu lange her sind). Ist nicht nur beim Anschluss ans Gasnetz so, betrifft auch alle Baumaßnahmen, die zB. mit Glasfaseranschlüssen zu tun haben.