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Deutschland verliert gegen die TürkeiDie üben noch

Nach dem 2:3 im Testspiel gegen die Türkei zeigt sich: Dem DFB-Team ist alles zuzutrauen, guter Fußball, schlechter Fußball – beides in einem Spiel.

Nach dem Spiel ist vor der Europameisterschaft: Julian Nagelsmann mit DFB-Spielern Foto: imago/Huebner

So also dürfte sich das etwa in acht Monaten im Berliner Olympiastadion anfühlen, wenn hier das Europameisterschaftsfinale ausgetragen werden wird. Denn mehr Emotionalität geht wohl wirklich kaum. Gewaltige Lärmwellen brandeten an diesem Abend auf, wenn das Spiel sich Richtung deutsches Tor bewegte. Und das Spiel wogte recht unterhaltsam und unruhig hin und her.

Auf der Ehrenrunde wurde das türkische Nationalteam von der überwältigenden türkischstämmigen Mehrheit der Zuschauer im Stadion geradezu ekstatisch gefeiert, als ob sie tatsächlich gerade ein Finale gewonnen hätten. Pflichtschuldig verabschiedeten sich ein paar DFB-Kicker in der Ostkurve, weil nur dort die deutschen Fahnenschwenker in der Überzahl waren.

Der emotional aufgeladenen Stimmung versuchte Julian Nagelsmann danach die Wucht zu nehmen. Sich über den fälschlich gegebenen Handelfmeter, den Yusuf Sari in der 71. Minute verwandelte, aufzuregen, sei müßig. „Das ist heute egal.“ Bei einem K.-o.-Spiel wäre das etwas anderes. Die Botschaft: Es war ja nur ein Testspiel.

Dass Nagelsmann sich sein heimisches Debüt als Nationaltrainer anders vorgestellt hatte, nachdem die ersten beiden Auswärtsauftritte unter seiner Verantwortung gegen die USA und Mexiko mit viel Wohlwollen als eine Wende zum Guten hin gelobt wurden, war aber deutlich. Als er erwartbar an die andauernde deutsche Defensivschwäche und fehlende Widerständigkeit erinnert wurde, antwortete er spürbar gereizt: „Wir können wieder anfangen, alles schwarz zu malen, dann werden wir aber nicht weiterkommen als Fußballnation. Wir müssen versuchen, klar zu analysieren, ich glaube, das habe ich gemacht, wenn ihr gut zugehört habt.“

„So kann er bei der EM eine tragende Rolle spielen“

Julian Nagelsmann über Kai Havertz

Selbstverständlich! Einzelne Spieler, hob Nagelsmann hervor, hätten nicht die hundertprozentige Überzeugung und den Willen gehabt. Emotionen stünden über der Taktik. Das war eine klare Ansage des Trainers, die auf eher unerfreuliche Vieraugengespräche vor der Partie am Dienstag gegen Österreich hindeutet. Er machte aber auch taktisches Versagen seines Teams bei den ersten beiden Gegentreffern aus. Fußballlehrerhaft bemängelte er Fehler im Stellungsspiel und beim „Switch“, wo es zu erkennen gilt, wann man keine Chance mehr hat, den Ball zu erobern, sondern Räume verteidigt werden müssen.

Fehleranalysen wie bei Flick

Mit derartigen Fehleranalysen haben die deutschen Nationalspieler schon unter Hansi Flick viel Zeit verbracht, genutzt hat es nur wenig. Nagelsmann wies auf die spärlichen Übungseinheiten hin, die ihm bislang zur Verfügung standen, und verbreitete Hoffnung, Besserung würde mit der Zeit eintreten. Diesem deutschen Team, das ist die schlechte Nachricht auch für Nagelsmann, ist weiterhin alles zuzutrauen, im Guten wie im Schlechten, und das blöderweise meistens innerhalb eines Spieles. Wunderschön kombinierte sich die DFB-Elf nämlich in der Anfangsphase durch die türkische Abwehrreihen. Eine Augenweide war die frühe Führung in der fünften Minute, als Benjamin Henrichs einen prächtigen Pass in die Tiefe spielte, wo Leroy Sané auftauchte und Kai Havertz bediente. In dieser Phase, so war Nagelsmann überzeugt, hätte das Team endgültig die Weichen Richtung Sieg stellen können. Vor allem Florian Wirtz, der später den Treffer von Niklas Füllkrug mit einem spektakulären Alleingang ermöglichte, fiel auf.

Dass dieser Glanz so schnell verblasste, wurmte Nagelsmann. Und noch mehr vermutlich, dass seine so ungewöhnliche Idee mit Kai Havertz nach der Niederlage niemand so recht als Erfolgsmodell wahrnehmen wollte. Die Versetzung des beim FC Arsenal derzeit sehr formschwach auftretenden Offensivspielers auf die linke Außenverteidigerposition musste Nagelsmann schon selbst als lohnenswert herausheben.

Wobei er darauf aufmerksam machte, dass er eine Art Hybridposition für Havertz erfunden hatte. „Ein offensiver Joker“, eine Mischung aus Außenverteidiger und einem „linken Zehner“. Neben seinem Treffer hatte er durchaus für gefährliche Vorstöße gesorgt, aber das Prädikat „Weltklasse“, das ihm Nagelsmann nach der Partie verlieh, hätte wohl außer der Familie Havertz keiner der 72.592 Zuschauer vergeben.

Julian Nagelsmann erklärte seinen Schachzug dieses Mal ganz simpel. Mit Havertz, Leroy Sané und Jamal Musiala würden drei Weltklassespieler um zwei Plätze konkurrieren. Er spiele aber lieber mit drei Weltklassespielern. Havertz habe so die große Chance, „bei der Heim-EM eine tragende Rolle zu spielen“. Etwas stabiler sollte dieser Abwehrverbund mit Joker aber dann doch sein. Bislang fehlt einem die Fantasie dafür.

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