Deutschland und das Klima: Der lange Weg ans Licht
In der Kolumne „Zukunft“ blickt unser Autor ein paar Jahre voraus. Dieses Mal geht es um den öffentlichen Nahverkehr, Fleischkonsum und Benzinautos.
W ir schreiben das Jahr 2024. Beim vergeblichen Versuch, ein spanisches Buch zu lesen, denke ich an die Zeit vor drei Jahren zurück, als es tatsächlich noch Diskussionen um sogenannte Übersetzungen gab: Also wer aufgrund der eigenen Identität womöglich geeigneter sein könnte, um einen fremdsprachigen Text zu übersetzen. Da steckte die Zivilisation echt noch in den Kinderschuhen. Für den öffentlichen Nahverkehr musste man bezahlen, durch die Innenstädte brummten Benzinautos und Bücher wurden „übersetzt“.
So etwas wäre heute zum Glück unvorstellbar – man leert ja auch keine Nachttöpfe mehr auf die Gasse. Das Übersetzungshandwerk liegt neben dem Bleisatz und den Hexenverbrennungen auf der Müllhalde der Geschichte. Es ist natürlich nicht formell verboten, doch jeder Verlag, der nicht von diesem Irrsinn ließe, würde sich zu Recht komplett ins Abseits stellen: Was für eine bizarre Anmaßung zu glauben, man könne Gedanken aus der einen Sprache heil in eine andere transportieren. Das erinnert an ganz dunkle Zeiten, in denen wir wie selbstverständlich Schuhe trugen, weil die unbedachte Aneignung und Nachahmung tierischer Fortbewegungstools wie Schwimmflossen oder die ledrige Sohle einer Bärentatze für uns schlicht kein Problem darstellte.
So etwas muss man sich mal klarmachen – man hat das einfach rotzfrech gemacht, als ob die Tiere gar nicht da wären, oder nur so eine Art minderbemittelte Wesen, mit denen man umspringen kann wie man möchte. Man hat – TRIGGER ALERT: INTENSE VIOLENCE! – Tiere sogar gegessen! Noch bis vor Kurzem lebten sie nicht als unsere Nachbarn in der Wohnung nebenan, sondern waren in primitive Ställe eingesperrt, aus denen man sie mit Gewalt herauszog, ermordete und briet.
Das wird an Abscheulichkeit im Grunde nur noch von den Übersetzungen getoppt. Die smarten Cree-*Indianer* (das wiederum sagt man jetzt wieder, seit Sahra Wagenknecht Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes ist) hatten auch dafür einmal mehr den passenden Spruch parat: „Wo das Bleichgesicht scheinbar in unserer Zunge spricht, klingt in unseren Ohren nur das Kläffen eines Köters wider.“
Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon von der Gegen-wart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein Jahr voraus.
Erstaunlich, wie der Zeitenwandel dafür sorgt, dass etwas, das man gestern für völlig korrekt hielt, einem heute unvorstellbar peinlich erscheint. Das Wissen, dass auch ich selbst ein aktiver Teil dieser geistigen und moralischen Finsternis war, lastet wie eine Verstopfung auf meiner Seele. Und endlich verstehe ich die Worte meines treuen Futurologen Zbigniew: „Scham ist das Exkrement der Schuld.“
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