Deutsches Museum und Obersalzberg: Bayerns Großbauprojekte im Verzug

Trotz Corona wird im Freistaat an Großprojekten weitergebaut. Unabhängig von der Pandemie steigen die Kosten und Zeitpläne verschieben sich.

Luftaufnahme der Münchner Museumsinsel

München: das Deutsche Museum auf einer Insel in der Isar Foto: dpa

Es ist eine Paradoxie dieser Zeit: Während die Türen des Deutschen Museums in München zugesperrt sind, wie aktuell bei allen Kultur- und Bildungsstätten, wird drinnen mit Hochdruck gearbeitet. Handwerker, Ingenieure, Konstrukteure sind zugange – die Generalsanierung des 1925 eröffneten Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik läuft auf Hochtouren, wie der Sprecher Gerrit Faust bestätigt.

„Nicht vollkommen störungsfrei“, sagt er, „aber nach wie vor gut.“ Es ist ein Vielfach-Millionen-Bauprojekt, das aber etwas unterhalb des Radars der Öffentlichkeit vonstattengeht. Doch die Generalrenovierung wird sehr viel teurer sein als ursprünglich geplant, so etwas gibt es auch beim Bundes-Primus Bayern.

National und international zeigte man auf die Hamburger Elbphilharmonie, deren Errichtung von 77 Millionen Euro auf 866 Millionen emporgeschnellt war. Gerade Ministerpräsident Markus Söder von der CSU spottete einst immer wieder über den Berliner Flughafen. Die Botschaft: Bei uns in Bayern würde so etwas nicht passieren.

Das Deutsche Museum, zum Zeitpunkt seiner Errichtung das Museum der Moderne schlechthin, sollte ursprünglich für 445 Millionen saniert werden, Beginn der Arbeiten war der Oktober 2015. Mittlerweile ist man bei 745 Millionen angelangt, zu gleichen Teilen bereitgestellt von Bund und Freistaat sowie einem kleineren Teilen aus dem Museums­etat und Spenden. Immerhin der Eröffnungstermin steht weiterhin: Am 7. Mai 2025 soll das Haus vollständig wiedereröffnet werden.

Extreme Verteuerung durch extreme Fehlkalkulierung

Bis dahin ist – wenn nicht gerade Corona herrscht – das Museum zur Hälfte zu besichtigen, während die andere Hälfte saniert wird. Der 7. Mai 2025 ist ein symbolträchtiges Datum. Genau 100 Jahre zuvor war das Haus eröffnet worden, zugleich ist es der 170. Geburtstag seines Begründers Oskar von Miller. Allein deshalb dürfte dieser Termin eingehalten werden, auch wenn bis dahin der eine oder andere Raum noch nicht fertiggestellt sein sollte und noch etliche Schrauben festzuziehen sind.

Woran liegt die extreme Verteuerung, der ja eine extreme Fehlkalkulierung vorangegangen sein muss? Sprecher Faust nähert sich dem Problem von verschiedenen Seiten. So nennt er etwa „die stark gestiegenen Preise durch die florierende Baukonjunktur“. Auch habe sich der denkmalgeschützte Betonbau im Zuge der Renovierung als deutlich maroder erwiesen als anfangs angenommen.

Der Raum, in den ein tonnenschweres Flugzeug hineingestellt werden soll, braucht einen tragfähigeren Spezialboden, damit er nicht einbricht. Andere Exponate sind auf Starkstromanschluss angewiesen. Nicht zu vergleichen ist das etwa mit einem Kunsthaus, wo sich Bilder und Skulpturen einfach umhängen und verschieben lassen. „Bauen im Bestand in einem denkmalgeschützten Gebäude ist unglaublich kompliziert“, sagt Faust.

Das Museum hat dem leitenden Architekturbüro gekündigt, als man merkte, dass Zeitplan und realer Baufortschritt immer weiter auseinanderklafften und den kleinen die größeren Probleme folgten. Aus Kreisen des Landtags, der die zusätzlichen Finanzspritzen genehmigen musste, ist zu hören: „Es kam zu wenig und zu spät.“

Mittlerweile sind die Architekten insolvent, übernommen hat jetzt das Düsseldorfer Büro RKW Architektur. Zudem bekommt Museums-Generaldirektor Wolfgang Heckl einen kaufmännischen Direktor oder eine Direktorin an die Seite gestellt. Die Stelle ist noch nicht besetzt.

NS-Idyll: Obersalzberg

Ein ganz ähnlicher Fall, wenngleich von erheblich kleinerer Dimension, findet sich 156 Straßenkilometer südöstlich von München im Berchtesgadener Land. Dort steht seit 1999 das NS-Dokumentationszentrum Obersalzberg. Historisch war der Ort eine wichtige Residenz Adolf Hitlers und des NS-Führungsstabs.

Dort wurden Staatsgäste empfangen und wurde der Holocaust geplant. Die Dokumentation vor Ort war auf 35.000 Besucher im Jahr ausgelegt, mittlerweile sind es 170.000. Deshalb soll das Zentrum auf die vierfache Ausstellungsgröße erweitert werden und Seminarräume erhalten.

Die Neubauten sollten ursprünglich einmal 14 Millionen Euro kosten, die Einweihung war für Ende 2020 geplant. Mittlerweile ist man bei 30 Millionen angelangt – was nicht die letzte Summe sein muss – und das bayerische Bauministerium rechnet mit der Fertigstellung im Winter 2021/22.

Den verschiedenen Architektur- und Planungsbüros wurde gekündigt, da Leistungen „entweder gar nicht oder schlecht erbracht“ worden seien, wie die neue Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) sagt. Der Rohbau steht im Wesentlichen, auch jetzt wird weitergearbeitet, doch die Suche nach einem Nachfolgebüro läuft noch.

Braune Verklärung der schönen Gebirgswelt

Nur ziemlich ohnmächtig zuschauen kann dabei das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ), das das Zentrum Obersalzberg inhaltlich verantwortet. Denn für den Bau ist es nicht zuständig. Der Lernort hat immense Bedeutung gegen die auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange anhaltende braune Verklärung des Obersalzbergs inmitten der landschaftlich schönen Gebirgswelt.

„Der Obersalzberg ist kein Ort wie jeder andere“, sagt Sven Keller, beim IfZ zuständig für die Dokumentation. „Es geht um die enge Verbindung zu Hitler, die vielen Propagandabilder vom Diktator im Berg­idyll.“ Darüber informiere das IfZ historisch fundiert und zuverlässig. Schon weniger bekannt, aber wichtig für die Aufklärung sei auch „die enge Verbindung des Ortes mit Krieg und Massenverbrechen“.

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