Deutscher Reporter in Venezuela: Wegen Spionageverdachts in Haft
Der deutsche Botschafter in Venezuela hat Billy Six im Knast besucht. Six, der für rechte Medien schreibt, sitzt dort seit November ohne Anklage.
Nach knapp zwei Monaten in Haft hat Billy Six, Reporter für mehrere rechte deutsche Medien, am Mittwoch Besuch vom deutschen Botschafter in Venezuela bekommen. Das Auswärtige Amt bestätigte der taz am Donnerstag, dass ein erster Haftbesuch in Caracas stattgefunden hat. Billy Six sitzt dort seit Ende November im Gefängnis, die venezolanischen Behörden werfen ihm Spionage vor.
Six war am 17. November von Kolumbien aus nach Venezuela eingereist und dabei festgenommen worden. Das berichtet die Nichtregierungsorganisation Espacio Público, die mit Reporter ohne Grenzen eine Partnerschaft unterhält. Six soll erstens ohne Journalistenvisum eingereist sein, und zweitens bei einem früheren Besuch den Präsidenten Nicolás Maduro bei einer Wahlkampfveranstaltung ohne Erlaubnis fotografiert haben.
Weiter hieß es aus dem Auswärtigen Amt, der Betroffene werde von der Botschaft Caracas konsularisch betreut. „Die Botschaft steht sowohl mit den venezolanischen Behörden als auch mit der Familie in Kontakt.“ Six’ Eltern haben nach eigenen Angaben während des Besuchs des Botschafters mit ihrem Sohn telefoniert und sagten gegenüber Reporter ohne Grenzen, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut.
Billy Six arbeitet als Auslands- und Krisenreporter für verschiedene rechte und neurechte Medien, darunter die Junge Freiheit, RT deutsch und Deutschland-Magazin. Letzteres gibt der Verein Die Deutschen Konservativen in Hamburg heraus, den der Verfassungsschutz in den 1990er Jahren als rechtsextrem einstufte.
Auftrag war beendet
Im Auftrag der Deutschen Konservativen war Billy Six auch in Südamerika unterwegs – allerdings laut Angaben des Vereins nicht mehr zu dem Zeitpunkt der Festnahme. „Wir haben Billy Six Anfang 2018 nach Venezuela geschickt“, sagte Geschäftsführer Murat Temeltaş der taz am Donnerstag am Telefon. „Wir waren zwar in Kontakt, er hatte aber seine Aufträge für uns schon lange vor November abgearbeitet.“
Billy Six begibt sich regelmäßig in Krisen- und Konfliktgebiete. Bereits im Jahr 2012 wurde er in Syrien entführt. Six’ Auftraggeber stellen oft heraus, dass Six sich nicht mit einer Seite gemein mache und behaupten, er berichtet dadurch mit größerer Objektivität als Journalist*innen, die „eingebettet“ berichten würden, also in Begleitung einer Konfliktpartei.
Six ist zugleich eine politisch fragwürdige Figur. „Six ist in der Vergangenheit durch problematischen Aktivismus gegen die Presse in Deutschland aufgefallen“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. So drang Six 2016 zusammen mit einem britischen Blogger in die Berliner Büroräume des Recherchenetzwerks Correctiv ein und filmte dort. Die beiden Männer sahen die Berichterstattung von Correctiv zum Malaysia-Airlines-Flug MH17 als antirussische Propaganda. Six bedient ein rechtsalternatives Publikum, das „die Medien“ für gleichgeschaltet und etablierte Journalist*innen für korrupt hält.
Six ist damit sowohl aktivistisch als auch journalistisch tätig. Im Fall seiner Festnahme geht Reporter ohne Grenzen davon aus, dass sie im Zusammenhang mit journalistischer Tätigkeit erfolgt ist. „Bisher erscheint es uns plausibel, dass er journalistisch gearbeitet hat, als er aufgegriffen wurde. Damit steht ihm wie jedem anderen Journalisten unsere Unterstützung zu.“
Kampagne zur Freilassung
Die rechtskonservative Junge Freiheit fordert derweil unter dem Slogan „Free Billy“ die Freilassung von Billy Six – angelehnt an die #FreeDeniz-Kampagne von taz- und Springer-Verlag für den Journalisten Deniz Yücel, der in der Türkei in Haft war.
Die venezolanische Staatsanwaltschaft hat gegen Billy Six noch nicht offiziell Anklage erhoben. Laut Gesetz hat sie dazu 45 Tage Zeit. Six ist bereits 54 Tage in Haft. Allerdings handelt es sich laut der Behörden um 45 Werktage, damit würde die Frist am 2. Februar enden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin