piwik no script img

Deutscher Pharmakonzern in BrasilienKopfschmerzen durch Bayer-Pestizide

Indigene in Brasilien leiden unter den Folgen von Pestiziden. Viele der Gifte stammten von Bayer, so die Gesellschaft für bedrohte Völker.

Was für die Pflanze gut sein mag, ist es für die Menschen noch lange nicht: Sojaernte in Brasilien Foto: Fotoarena/imago

Berlin taz | Als die Wolke aus Kalkstein und Pestizidstaub über das Dorf Guyraroká zog, saßen gerade etwa 15 Kinder beim Frühstück. Bald bekamen sie Hautreizungen, dann Übelkeit, Durchfall und Kopfschmerzen. Der giftige Cocktail war im Mai 2019 über dem Dorf der Guarani Kaiowa-Indigenen im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul versprüht worden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfBV) hat in ihrem jüngst veröffentlichten Bericht „Big in Brazil: Bayers Pestizid-Exporte und ihre Folgen für Indigene“ sieben solcher Fälle zusammengetragen und stellt fest: In ganz Brasilien werden Indigene Leidtragende von Pestiziden.

Viele in Brasilien verwendete Pestizide stammen vom deutschen Pharmariesen Bayer, der seit der Übernahme des US-amerikanischen Saatgutherstellers Monsanto in den Milliardendeal mit Pestiziden eingestiegen ist – und an diesem Dienstag seine Hauptversammlung abhält.

Bayer nutze „Doppelstandards“, kritisiert Juliana Miyazaki, GfbV-Referentin für indigene Völker. So würden in Deutschland viele Pestizide produziert, die in der EU verboten sind, um sie in Länder wie Brasilien zu exportieren. Dort werden sie vor allem beim Anbau von Soja, Mais, Zucker und Baumwolle verwendet – Exportprodukte, die anschließend wieder Europa erreichen.

Die GfbV spricht von einer „Verlagerung menschenrechtsverletzender und umweltverschmutzender Praktiken in Drittländer“. „Wir fordern Bayer auf, den Blick auf die lokale Bevölkerung zu richten und langfristig Business-Strategien zu entwickeln, die ohne den Handel mit hochgefährlichen Pestiziden auskommen“, sagt Regina Sonk, GfbV-Referentin für indigene Völker.

Bayer sucht Kontakt

Auf Nachfrage der taz erklärte die Pressestelle von Bayer, dass eine erste Analyse der genannten Fallbeispiele „keine konkreten Bezüge“ feststellen ließen. Das Unternehmen erklärte, „angemessene Maßnahmen“ ergreifen zu wollen, „sollten sich Verletzungen bestätigen, die von Bayer verursacht wurden oder auf die wir realistischen Einfluss haben“.

Zudem hat Bayer das Gespräch mit der GfbV gesucht. Die Gesellschaft bestätigte der taz, dass der Konzern den Kontakt aufgenommen habe. „Wir freuen uns über einen direkten Austausch mit der Bayer AG und hoffen, den Konzern mit betroffenen Indigenen zusammenbringen zu können“, sagt Regina Sonk von der GfbV.

Während der Konzern aus Leverkusen in den USA wegen des Unkrautvernichters Glyphosat mit einer Welle von Einzelklagen konfrontiert ist, steht die Situation in Brasilien nur selten im Fokus. Dabei importiert kein Land der Welt so viele Pestizide wie Brasilien. Die exportorientierte Agrarwirtschaft setzt auf Monokulturen, Indigene stehen der Wachstumslogik häufig im Weg.

Bolsonaro ist mit Agroindustrie verbunden

Die Regierung des Rechtsradikalen Jair Bolsonaro ist zudem eng mit der Agroindustrie verbunden und baut seit Amtsantritt systematisch Umweltschutzrichtlinien ab. Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina hat so in gut zwei Jahren bislang 1.132 neue Pestizide zugelassen – viele davon sind in Europa verboten.

Zwar versprach Präsident Bolsonaro auf dem von US-Präsident Joe Biden einberufenen Klimagipfel in der vergangenen Woche die Einhaltung von Umweltschutzstandards, jedoch rechnen Ex­per­t*in­nen nicht mit einer Abkehr von seiner umwelt- und klimafeindlichen Politik. So versucht die Regierung derzeit, Pestizidvorschriften weiter zu liberalisieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "So würden in Deutschland viele Pestizide produziert, die in der EU verboten sind, um sie in Länder wie Brasilien zu exportieren"

    Als ob das EU Zeug "gesünder" wäre.

    PS: letzt wurde im TV gerade wieder die Doku wiederholt wo deutsche Bauern zeigen wie man ohne Pestizide und Dünger auskommen kann - mit besseren Erträgen!

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Das liegt doch wohl nicht an Bayer, sondern an der nicht angemessenen Nutzung von Pestiziden um Menschen zu vertreiben, oder?

    Nur, in Brasilien ist der Klageweg schwierig, weil nicht nur der jetzige Präsident ein menschlicher "A*sch" ist, oder?

  • Abgesehen von der bewussten Vergiftung des Bodens mit der Bayer sein Geld verdient, ist die Anwendung der Gifte oft problematisch. Bei Trockenheit oder starkem Wind werden die Gifte großflächig verteilt, wie wohl im Beispiel geschehen.